Köhler im Interview: Dürfen Dinge nicht gegeneinander ausspielen

Wie können Klimaziele und Wirtschaft sinnvoll zusammengebracht werden, ohne dabei den sozialen Zusammenhalt zu gefährden? Im Interview mit ZEIT Online geht FDP-Fraktionsvize Lukas Köhler auf die aktuelle Debatte in der Bundesregierung ein. Ein Gespräch über bisherige Erfolge der Ampel, Vorteile des EU-Emissionshandels und Autobahnen als „klimaneutrale Orte“.

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Der Generalsekretär der FDP Bayern und stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Freien Demokraten im Deutschen Bundestag Lukas Köhler.

ZEIT Online: Herr Köhler, auf einer Skala von eins bis zehn, wie gut ist die Stimmung gerade in der Ampel-Koalition?

Lukas Köhler: Ich würde sagen: sieben.

Wirklich so gut? Robert Habeck klang da bei seinem TV-Interview ganz anders. Da beklagte er nicht nur den Bruch der Vertraulichkeit, sondern auch, dass gerade wesentliche Klimaschutzvorhaben verschleppt würden.

Ja, es wundert mich sehr, dass er da so auf der Zinne war. Das hilft natürlich niemandem. Natürlich ruckelt es in einer Dreierkonstellation manchmal und wir haben unterschiedliche Positionen, aber uns eint das Ziel, übrigens auch beim Klimaschutz. Hier haben wir schon viel vorangebracht, vom LNG-Beschleunigungsgesetz über ein gigantisches Paket für die erneuerbaren Energien.

Einige Vorhaben zum Klimaschutz sind allerdings auch weiterhin umstritten und sollen beim Koalitionsausschuss am Sonntag wieder auf die Tagesordnung kommen. Welcher Streit muss aus Ihrer Sicht am dringendsten gelöst werden?

Das Wichtigste für das Land ist, dass wir jetzt bei der Planungsbeschleunigung vorankommen. Die Ampel-Koalition will Deutschland und seine Infrastruktur modernisieren, das ist auch dringend notwendig. Wenn wir beim Klimaschutz besser werden wollen, müssen wir beim Bau von Stromtrassen, von Windrädern, Stromspeichern und – aus Sicht der FDP – auch beim Bau von Autobahnen deutlich schneller werden.

Inwiefern tragen Autobahnen zum Klimaschutz bei?

Autobahnen werden in Zukunft klimaneutrale Orte sein. Denn die Autos, die darauf fahren, werden CO2-neutral sein müssen. Und natürlich brauchen wir Autobahnen zur Sicherung unseres Wohlstands – ein steigender Teil der Güter in Deutschland wird noch über die Straßen transportiert. Auch für den Ausbau der Anlagen für erneuerbare Energien und der Stromtrassen werden wir Material brauchen und auf gigantische Transportwege zurückgreifen müssen. Wenn die Transformation gelingen soll, sind wir in den kommenden Jahren auf ein gut funktionierendes Straßennetz mit neuen Autobahnen angewiesen.

Das will Ihre Partei. Die Grünen wollen lieber einen Fokus auf den schnelleren Bau von Bahnverkehr und Wasserstraßen. Wie kann ein Kompromiss aussehen?

Ich will diese Dinge gar nicht gegeneinander ausspielen, denn wir müssen das eine tun, ohne das andere zu lassen. Außerdem muss man unterscheiden zwischen dem Planungsbeschleunigungsgesetz, das für Autobahnen, aber auch für die Schiene und die Wasserstraßen gilt, und dem konkreten Streit, welche Autobahn neu gebaut werden sollte. Das wäre auch ein möglicher Kompromiss: Im Koalitionsausschuss könnte entschieden werden, wie schnell wir das bauen, was wir bereits beschlossen haben. Und die Frage, was wir überhaupt neu bauen, wird an anderer Stelle geklärt.

Aber das wäre doch ein Blankocheck für alle bereits im Bundesverkehrswegeplan beschlossenen Autobahnneubauten. Das wollen die Grünen doch gerade nicht. Müsste man sich also nicht auf eine Prioritätenliste einigen?

Nein, ich würde aus dem Bundesverkehrswegeplan momentan keine Autobahn rausnehmen. Und nochmal, es ist ja kein Entweder-oder: Wir von der FDP wollen auch Schiene und Wasserwege schneller ausbauen. Aber natürlich können wir im Planungsbeschleunigungsgesetz genaue Kriterien definieren, wann genau ein Vorhaben noch schneller kommen soll als andere. So könnte die nötige Umweltverträglichkeitsprüfung für erneuerbare Energien und Stromtrassen künftig deutlich pauschaler ausfallen als für Autobahnen. So haben wir es vorerst bis 2024 beschlossen, aber die FDP würde das gerne dauerhaft so machen. Dann hätte man, wenn Sie so wollen, eine Priorisierung.

Wie kann der Streit um ein Verbot neuer Gasheizungen gelöst werden? Das ist doch ein notwendiger Schritt, um die Klimaziele zu erreichen.

Wir sind uns in der Koalition völlig einig, dass neue Heizungen in Zukunft möglichst mit 65 Prozent erneuerbaren Energien betrieben werden sollen. Wir diskutieren lediglich noch über den besten Weg zu diesem Ziel. Wichtig ist aus unserer Sicht, dass wir im Wärmebereich nicht nur auf Wärmepumpen setzen, sondern möglichst viele technische Lösungen zulassen. Eine Gasheizung, die mit Wasserstoff oder Biomethan betrieben wird, erfüllt die Anforderungen schließlich genauso. Und man darf nicht vergessen, dass die Menge an Wärmepumpen leider aktuell noch begrenzt ist, die Hersteller kommen mit dem Neubau kaum hinterher. Wir müssen gleichzeitig darauf achten, dass es bei der Umstellung keine sozialen Härten gibt.

Wie wollen Sie das konkret erreichen? Sie haben vorgeschlagen, dass man im Streit um die Klimaziele weg von festen Sektorzielen und hin zu einem EU-weiten Emissionshandel solle. Diese komplette Orientierung am Markt würde aber den C02-Preis automatisch steigern, oder?

Unser Vorschlag ist, dass wir den auf EU-Ebene schon beschlossenen Emissionshandel für den Gebäude- und Verkehrssektor in Deutschland bereits ab 2024 einführen. Weil der maximal zulässige CO2-Ausstoß im Emissionshandel begrenzt ist, würden wir so unsere Klimaziele garantiert einhalten. Und ja, dabei würde der CO2-Preis wahrscheinlich steigen. Damit er nicht gigantisch steigt, würden wir eine sogenannte Preisstabilitätsreserve einführen, also dafür sorgen, dass wir die Zertifikatmenge bei Bedarf am Anfang noch etwas größer machen, was den Preis eines CO2-Zertifikats stabilisiert. Später müssten die Emissionen dann aber natürlich entsprechend schneller sinken, denn die Gesamtmenge darf auf keinen Fall überschritten werden. Das ist aber kein Problem, weil sich zum Beispiel sehr viel mehr Menschen den Umstieg auf ein Elektroauto leisten können, wenn es einen Gebrauchtwagenmarkt gibt.

Für eine Hausbesitzerin würde eine Gasheizung dann im Zweifel so teuer, dass sie sie „freiwillig“ austauscht?

Genau, auch die Kosten für fossiles Gas würden durch den Emissionshandel steigen. Die Besitzerin müsste sich dann überlegen: Wie kann ich meine Gasheizung klimaneutral betreiben – zum Beispiel über Biomethan oder Wasserstoff. Oder wäre eine Wärmepumpe nicht vielleicht doch die bessere Alternative? Für die FDP ist klar: Es darf keine festen Fristen für eine Umstellung geben oder gar ein Verbot bestimmter Heizungsarten, wie es den Grünen vorschwebt.