Hagen bei „jetzt red i“: Anreize statt Dienstpflicht
Anstatt eines Zwangsdiensts für Bürger brauche es eine Stärkung freiwilliger Angebote. Das hat Bayerns FDP-Chef Martin Hagen in der BR-Sendung „jetzt red i“ untermauert. Er ist davon überzeugt: Ein soziales Pflichtjahr wäre nicht nur ein schwerer Eingriff in die persönliche Freiheit des Einzelnen, sondern auch volkswirtschaftlich massiv schädlich.
„Ich glaube nicht, dass es unsere Gesellschaft zusammenhält, wenn man Leute gegen ihren Willen zu etwas verpflichtet“, stellte Martin Hagen zu Beginn der Sendung klar. Dabei führte er auch verfassungsrechtliche Bedenken ins Treffen. Immerhin sind Zwangs- und Pflichtarbeiten unter anderem durch die Europäische Menschenrechtskonvention grundsätzlich verboten. Eine Ausnahme, so Hagen, stelle etwa ein Pflichtdienst zur Landesverteidigung dar, aus welcher sich jedoch keine soziale Dienstpflicht ableiten lassen könne.
Sein Gegendiskutant, CSU-Landtagsfraktionschef Klaus Holetschek, sah das naturgemäß anders: „Wenn wir meinen, dass etwas richtig ist, dann müssen wir es auch tun.“ Die Union befürwortet bekanntlich nicht nur eine Rückkehr zur Wehrpflicht, sondern auch deren Ausweitung in Form eines „verpflichtenden Gesellschaftsjahrs“.
Mit Blick auf die Wehrpflicht-Debatte zeigte sich der FDP-Landesvorsitzende skeptisch, ob eine Wiedereinsetzung in der derzeitigen Lage der richtige Weg sei: „Viele Militärexperten sagen mir, dass die Bundeswehr keine Heerscharen von jungen Rekruten benötigt, für die wir aktuell gar nicht die Infrastruktur haben. Kasernen, Kreiswehrersatzämter oder Ausbildner gibt es in dem Ausmaß gar nicht mehr.“ Stattdessen brauche die Truppe attraktive Karrierewege und eine ordentliche materielle Ausstattung – „Stichwort: Zeitenwende“. Hagen spielte damit auf das 100 Milliarden Euro schwere Sondervermögen an, das die Bundesregierung in Beschaffungsmaßnahmen der Bundeswehr investiert. Zudem erreicht Deutschland erstmals seit über drei Jahrzehnten das Zwei-Prozent-Ziel der NATO. Eine scharfe Trendumkehr, nachdem die Truppe in den Jahren zuvor von CDU/CSU-Verteidigungsministern stark vernachlässigt wurde. Für eine gute Landesverteidigung, so Hagen, brauche es vor allem motivierte, professionelle Soldaten und zivile Mitarbeiter.
Das Argument der Professionalisierung brachte der FDP-Politiker auch im Zusammenhang mit der Forderung nach einer allgemeinen Dienstpflicht zur Entlastung des Sozialwesens: „Der Pflegeberuf beispielsweise ist ein hochqualifizierter Beruf. Eine Fachkraft in diesem Bereich kann nicht einfach durch jemanden ersetzt werden, der dort mal ein Jahr absitzt – noch dazu möglicherweise nur aufgrund eines Zwangsdienst.“
Hinzu komme, dass ein Soziales Pflichtjahr massive ökonomische Schäden nach sich zöge, auch durch aufgeschobene Steuer- und Sozialabgabenzahlungen: „Das ist ein zweistelliger Milliardenbetrag, der volkswirtschaftlich dadurch jährlich verloren geht“, gab Hagen zu Bedenken. In der Tat prognostiziert etwa das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung (ifo) alleine für eine Teilwiedereinsetzung der Wehrpflicht pro Altersgruppe einen Verlust des Bruttonationaleinkommens von über 17 Milliarden Euro. Angesichts der schwächelnden wirtschaftlichen Dynamik und des Umstandes, dass viele Branchen über einen großen Arbeitskräfte- und Fachkräftemangel klagen, sei ein Pflichtjahr schwer vertretbar.
Hagen: Anreize für Freiwilligenarbeit ausbauen
Wesentlich sinnvoller sei es, so der FDP-Landeschef, die Anreize für ehrenamtliches Engagement weiter auszubauen, etwa durch eine Stärkung der Freiwilligendienste. Durch konsequente Entbürokratisierung und ausgeweitete digitale Lösungen könnten viele Vereine und soziale Einrichtungen entlastet werden. Flankiert werden sollten diese Maßnahmen von verstärkten Informationsangeboten an Schulen, damit Jugendlichen die Möglichkeiten eines Freiwilligen sozialen Jahrs oder Freiwilligen ökologischen Jahrs nähergebracht werden.
Gegen Ende der Sendung brach Martin Hagen noch eine Lanze für die junge Generation: „Es wäre nicht fair, gerade jungen Menschen, die ohnehin aufgrund der demografischen Entwicklung hohe Lasten zu tragen haben, verpflichtend ein Jahr ihres Berufslebens wegzunehmen.“ Und auch nicht notwendig, wie etwa die jüngste Shell-Jugendstudie zutage förderte. „Junge Menschen haben viel mehr Gemeinsinn, als es in der Debatte oftmals herüberkommt. Wir haben bereits heute so viele junge, engagierte Leute in unserem Land, die sich in Vereinen oder im Freiwilligendienst einbringen. Das zeigt, dass diese Ressentiments gegen junge Menschen, die mit der Forderung nach einer Dienstpflicht immer ein bisschen mitschwingt, überhaupt nicht zutrifft“, so der FDP-Bayern-Chef abschließend.