Diskussionsrunde beklagt queere Rückständigkeit der katholischen Kirche – „Müssen die Mauer endlich einreißen“

Wie passen queeres Leben und die katholische Kirche zusammen? Um diese Frage drehte sich eine prominent besetzte Diskussionsrunde „Queer und katholische Kirche - (un)möglich?“, zu der die FDP-Landtagsfraktion in den Bayerischen Landtag eingeladen hatte. Für queere Menschen bedeutet jegliche Form der Ausgrenzung durch die katholische Kirche Diskriminierung. Dabei steht für Landtagsliberalen außer Frage, dass gerade queeres Leben eine große Bereicherung für die katholische Kirche sein könne.

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Die Teilnehmer der Podiumsdiskussion (v.l.n.r.: Henry Frömmichen, Katrin Richthofer, Sebastian Körber, Irene Löffler, Wolfgang Rothe).

Knapp zwei Stunden lang diskutierte der queerpolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion Sebastian Körber im Senatssaal des Bayerischen Landtags mit Geistlichen, Betroffenen und Interessenvertretern über Perspektiven, Chancen und Annäherungen zwischen katholischem Glauben und queeren Lebensentwürfen. Zu Beginn bedankte sich der Münchner Priester Wolfgang Rothe bei Körber für die Einladung uns sein Engagement. Sein erster Besuch im Maximilianeum sei für ihn ein wichtiges Zeichen. „Wir brauchen die Unterstützung der Politik und aller gesellschaftlichen Kräfte, um dafür zu sorgen, dass die Kirche nicht eine Nische für Hass und Hetze gegen queere Menschen bleibt. Allein schaffen wir das nicht.“ Zwar gebe es in der katholischen Kirche durchaus Bewegung. Aber die Kräfte, die auf Beharrung drängen, seien um ein Vielfaches größer. „Die können das Thema aussitzen, da sie am längeren Hebel sitzen.“ 

Rothe hatte 2021 für Aufsehen gesorgt, als er gegen den erklärten Willen des Vatikans schwule und lesbische Paare gesegnet hatte. Anfang des Jahres brachte er ein Buch mit dem Titel „Queer-Sein in der katholischen Kirche“ heraus. Zu ihm als Priester kämen queere Menschen jedoch erst, seitdem er in der Öffentlichkeit stehe. Diese sage viel über die Haltung der Kirche aus. Diese habe keinerlei Kontakte zu queeren Menschen und könne daher auch nicht als Ansprechpartner fungieren. 

„Die Kirche hat eine riesige Mauer zwischen sich und queeren Menschen hochgezogen. Damit verrät die Kirche ihren Grundauftrag, denn sie sollte für alle Menschen da sein. Das hat Jesus ihr ins Stammbuch geschrieben.“ Es sei allerhöchste Zeit, die Mauer endlich einzureißen, betonte Rothe und fügte hinzu. „Wenn die Kirche so weiter macht, hat sie in meinen Augen jede Existenzberechtigung verloren.“ 

Auch Katrin Richthofer, Mitgründerin der Frauenbewegung Maria 2.0 München, hob die Notwendigkeit von tiefgreifenden Reformen hervor. Die katholische Kirche habe nur dann eine Chance gesellschaftlich relevant zu bleiben, wenn sie sich von Grund auf erneuere. Indem die Kirche aber nicht nur Frauen, sondern auch Menschen mit queeren Lebensvorstellungen ausgrenze und diskriminiere, habe sie Gerechtigkeit und Barmherzigkeit verspielt und sich von ihrem Kernmerkmal „Liebe deinen nächsten, wie dich selbst“ weit entfernt. 

Im Laufe der Diskussionsrunde wurde mehrfach an die Aktion „#OutInChurch – Für eine Kirche ohne Angst“ erinnert. 125 Priester und andere Beschäftigte der katholischen Kirche hatten sich Anfang des Jahres als schwul, lesbisch, trans oder queer geoutet und die Kirche aufgefordert, "veraltete Aussagen der kirchlichen Lehre“ in Bezug auf Sexualität und Geschlecht abzuschaffen. 

„Die Botschaft, Du bist kein vollwertiger Mensch, wenn Du lesbisch, schwul oder trans bist, wird leider immer noch so weitergegeben“, kritisierte Irene Löffler, Vorstand des Lesben- und Schwulenverband (LSVD) in Bayern. Die Sexualmoral der Kirche sei völlig lebensfern. „Sie passt nicht mit dem Leben der Menschen von heute zusammen.“ Aus Angst vor gesellschaftlichen und beruflichen Konsequenzen sowie vor Herabsetzung, Diskriminierung und Ausgrenzung würden sich noch immer viel zu viele Menschen verstecken. „Dabei macht es einfach nur krank, wenn Du jahrzehntelang nicht der oder die sein darfst, der du bist.“ 

Ex-Priesteramtsanwärter Henry Frömmichen, der nach einem Selfie mit dem Star der schwulen Datingshow „Prince Charming“ aus dem Priesterseminar flog, erzählte von seinem Outing. Er habe sich als engagierter Ministrant mit 16 Jahren seinem Pfarrer anvertraut. Da dieser ihn in seinem Vorhaben gestärkt habe, trotz seiner Homosexualität seinem Traumberuf Priester nachgehen zu wollen, habe er die Kirche als Schutzraum wahrgenommen, in dem er sich frei entfalten konnte. Er sei daher überzeugt, dass sich auch in der römisch-katholischen Kirche etwas verändern könne. 

„Es ist erschreckend, dass queere Personen auch heute noch in der katholischen Kirche diskriminiert und Lebensentwürfe zerstört werden“, fasste Sebastian Körber die Ergebnisse der Diskussion zusammen. „Wenn es die Kirche nicht von selbst schafft, sich hinter ihren dicken Mauern zu reformieren, dann ist es umso wichtiger, durch die Herstellung von Öffentlichkeit den Druck von außen zu erhöhen.“

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