Zeitenwende in der Außenwirtschaftspolitik: Unabhängigkeit als eigener Wirtschaftsfaktor

Der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine hat einen blinden Fleck der deutschen Außen- und Wirtschaftspolitik offengelegt, dem bisher zu wenig Beachtung geschenkt worden ist. Welche Rolle sollen sicherheitspolitische Erwägungen in der Wirtschaftspolitik einer offenen Marktwirtschaft wie Deutschland bzw. der Europäischen Union spielen? Lange Jahre wähnte sich Deutschland in einem „Schlaraffenland“, in welchem die Frage der Resilienz, also der Widerstandsfähigkeit gegenüber externen Faktoren wie dem Einfluss autokratischer Regime, scheinbar keine Rolle spielte. Der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine zwingt uns diese Blauäugigkeit der letzten Jahre zu beenden. Zu lange haben wir uns abhängig gemacht von russischem Gas, chinesischem Wachstum und amerikanischer Sicherheitspolitik. Es braucht daher auch eine Zeitendwende in der Außenwirtschaftspolitik. Es ist essenziell, den Wirtschaftsstandort Deutschland und Europa durch eine größere Eigenständigkeit und mehr Kontrolle abzusichern. Dabei müssen wir aber größtmögliche Freiheit der Wirtschaft und staatliche Sicherheitsinteressen miteinander in Einklang bringen.

Spätestens der Gaskrieg Russlands gegen Europa sowie die Beteiligung des chinesischen Staatskonzerns Cosco an „Tollerort“, einem Terminal des Hamburger Hafens, und damit an deutscher kritischer Infrastruktur hat uns sehr deutlich vor Augen geführt, wie dringlich eine Reform des Außenwirtschaftsrechts ist. Sowohl auf deutscher als auch auf europäischer Ebene braucht es eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen Politik und Wirtschaft um einerseits als Wirtschaftsstandort für Investitionen noch attraktiver zu werden, aber gleichzeitig kritische Infrastruktur vor dem Einfluss anderer, insbesondere autoritärer Regime zu schützen und uns vor riskanten Abhängigkeiten von ihnen zu bewahren. Aber hier endet ein neues Bewusstsein für Wachstum und Unabhängigkeit noch nicht, sondern beginnt erst. Wir müssen dabei auch Lieferketten, Rohstoff- und die Energieversorgung neu denken.

Leistungsfähige Kontrolle über kritische Infrastruktur - ohne Fessel für die Wirtschaft

Die Diversifizierung der deutschen Wirtschaft wird nur über den besseren Zugang zu neuen Märkten realisierbar. Wir wollen uns nicht von China abkoppeln, sondern wir brauchen Lieferketten und Absatzmärkte in allen Regionen der Welt, um uns nicht in einseitige Abhängigkeiten zu begeben. Dafür brauchen wir Freihandelsabkommen mit Kanada, Mexiko, Chile, Mercosur, Indonesien, Australien u.a. Die entsprechenden Abkommen müssen schnellstmöglich abgeschlossen werden.

Gleichzeitig haben die Fälle des Hamburger Hafens und des Chip Herstellers Elmos gezeigt, dass wir unser europäisches und nationales Außenwirtschaftsrecht (inkl. bestimmter bilateraler Investitionsschutzabkommen) schnellstmöglich überprüfen, reformieren und modernisieren müssen, um einseitige Abhängigkeiten und ausländische Einflussnahmen bei der kritischen Infrastruktur und in strategisch wichtigen Wirtschaftsbereichen zu verhindern. Derartige Fälle, wie die oben genannten, dürfen sich nicht wiederholen, sondern müssen politisch verhindert werden können.

Gleichzeitig gilt aber: Jede Untersagung von ausländischen Investitionen schwächt den Investitionsstandort Deutschland, daher muss hierbei mit Augenmaß und verhältnismäßig agiert werden. Es darf nicht zu Protektionismus und einer Abschottung des europäischen Wirtschaftsraums kommen. Eine breitere Diversifizierung der Export- und Importmärkte schaffen wir durch Freihandelsabkommen.

Außenwirtschaftsrecht reformieren

  • Die Investitionsprüfung der Bundesregierung zum Fall Cosco war dringend geboten. Für uns Freie Demokraten ist der Erwerb durch den chinesischen Reeder eine Investition in die kritische Infrastruktur und damit ist die Untersagung einer Beteiligung von über 25% (Sperrminorität) notwendig. Allerdings kann die Bundesregierung nicht mehr tun, als die Beteiligung von mehr als 24.9% zu untersagen, solange nicht sehr spezielle Kriterien gelten. Diese gilt es zu überprüfen und den regulatorischen Handlungsspielraum zu flexibilisieren.
  • Die Prüfung und evtl. Untersagung jedes Unternehmenserwerb in relevanten Bereichen durch unionsfremde Erwerber muss unabhängig von Selbstzuschreibung ermöglicht werden. Dies gilt auch für Unternehmen mit Sitz in der EU, an denen unionsfremde Gesellschafter zu mindestens 25% beteiligt sind, oder deren Gesellschaftervertrag sachinhaltlich vergleichbare Rechte garantieren. Die dafür geltenden Kriterien sollten allerdings klar definiert sein und dürfen nicht für protektionistische Zwecke missbraucht werden.
  • Diese Regeln dürfen nur mit einem Kabinettsbeschluss der Bundesregierung und ggf. mit einem Beschluss der EU Kommission durchbrochen werden. Einer Liste dieser Länder muss tagesaktuell geführt werden, Schlupflöcher über Beteiligungen and Drittfirmen oder den Umweg über Drittländer dürfen dabei nicht zugelassen werden.
  • Die Definition kritischer Infrastruktur ist deutlich auszuweiten, sodass sie auch Betriebe und Infrastruktur von überregionaler Bedeutung oder überragendem öffentlichen Interesse erfasst. Dazu gehören etwa Verkehrs- und IT-Infrastruktur, Betriebe der Daseinsfürsorge und des Bankenwesens, andere systemrelevante oder besonders mitarbeiterstarke Unternehmen, sowie innovative Hightech-Industrien und Forschungseinrichtungen. Die Größen-Anforderungen der BSI-KritisV sind so zu senken oder zu streichen, dass ein „Anschleichen“ unionsfremder Erwerber erheblich erschwert wird.
  • Die EU ist zwar offen für ausländische Investitionen, dafür fordern wir aber auch von unseren Partnern offene Märkte. Das ist bei China nicht der Fall. D.h. Reziprozität ist nicht gegeben. In Zukunft muss Reziprozität daher eine Grundlage für den Prüfmaßstab an Investitionen in kritische Infrastruktur sein, d.h. ausländische Firmen dürfen hier nur in jenem Maße investieren, wie deutsche Firmen im Ursprungsland investieren dürfen. Gleiches gilt auch für alle anderen Marktzugangshürden. Ausgenommen sind Maßnahmen zur wirtschaftlichen Unterstützung von Entwicklungsländern; zu denen China jedoch nicht mehr zählen kann.
  • In Bezug auf China sollte durch Verhandlungen angestrebt werden, dass die zumindest vorübergehende Öffnung für Beteiligung deutscher Unternehmen an Ihren Tochtergesellschaften in China bis zum Erwerb der Mehrheit - siehe u. A. BMW - wieder ermöglicht wird. In Bezug auf den Fall COSCO sollte China zur Gleichbehandlung deutscher Unternehmen wie z. B. mit der Reederei Maersk (Dänemark), die vermutlich an allen wichtigen Häfen in China Beteiligungen hat, aufgefordert werden.
  • Wir brauchen dringend eine bessere europäische Abstimmung bei ausländischen Investitionen, die EU-Screening Verordnung ist ein erster Schritt. Daraus müssen aber auch europäische wirtschaftspolitische Entscheidungen entstehen können. In diesem Fall bedeutete das, dass die EU-Kommission in Zusammenarbeit mit den Mitgliedsstaaten die Möglichkeit haben muss, relevante Investitionsentscheidungen sowie anderweitige Kooperationen und Auftragsvergaben im Lichte gemeinsamer europäischer Interessen bewerten und entsprechende Empfehlungen geben zu können.
  • Wir benötigen einen deutlich besser definierten, und vor allem für alle Marktteilnehmer transparenten Prozess für Beteiligungen aus Nicht-EU-Staaten und für Investitionen in Nicht-EU-Staaten auf der europäischen und der nationalen Ebene. Äquivalent dazu benötigen wir bei Anlagen kritischer Infrastruktur strikte Regeln auch für Ausschreibungen bei Bau und Modernisierung. Insbesondere bei elektronischen Komponenten darf es keine Beteiligung von Firmen aus der Liste autoritär geführter Länder geben. Die europäischen Häfen könnten sich dann nicht mehr von chinesischen Reedern (wie Cosco) gegeneinander ausspielen lassen. Ebenso darf etwa die 5G-Infrastruktur aufgrund von Sicherheitsrisiken nicht mit chinesischer Soft- oder Hardware ausgestattet werden.

 Gemeinsam europäisch handeln

All diese Maßnahmen lassen sich im internationalen (System-)Wettbewerb mit einer Großmacht wie China nicht allein national erreichen. Daher wollen wir all diese Maßnahmen gemeinsam im europäischen Verbund einbetten und durchsetzen. So sind die oben genannten Änderungen des deutschen Außenwirtschaftsrechts in die Investment Screening Regulation (VO (EU) 2019/452) einzubetten und dementsprechend europäisch zu harmonisieren. Ferner soll sich die Bundesregierung dafür einsetzen, dass alle EU-Staaten zwingend entsprechende Investitionskontrollen jedenfalls in Bezug auf kritische Infrastruktur und Staatsunternehmen einführen, um ein Level Playing Field europäischer Infrastrukturunternehmen zu schaffen und Einflussnahmen unionsfremder Regierungen zu unterbinden. Aufgrund der Eingriffsintensität müssen die Regelungen der Investitionskontrolle aus der AWV zudem in ein ordentliches Gesetz überführt werden.

Darüber hinaus werden wir umso resilienter und unabhängiger, je mehr wir nach innen unsere Zusammenarbeit stärken und nach außen geschlossen als Europäer auftreten. Dazu gehört, dass die EU sich nicht durch bilaterale Kooperationsabkommen, etwa im Rahmen der chinesischen 14+1 Initiative, auseinanderdividieren lässt. Zudem müssen wir den europäischen Binnenmarkt etwa im Rahmen einer echten Banken- und Energie-Union weiter vertiefen. Dies gilt auch im digitalen Bereich, wo Europa zu abhängig von China und den USA ist; daher müssen Projekte wie GAIA-X Priorität bekommen und noch umfassender angegangen werden.

Die FDP-Freihandelsagenda

  • Das CETA-Ratifizierungsgesetz liegt im Bundestag bereit für die 2./3.-Lesung. Wir setzen uns dafür ein, dass das Freihandelsabkommen mit Kanada noch dieses Jahr ratifiziert wird und europaweit zur vollen Anwendung kommt.
  • Auch die Abkommen mit Chile und Mexiko müssen schnellstmöglich zu einem Abschluss gebracht werden, und zwar ohne weitere Verzögerungen. Damit setzen wir ein klares Signal für offene Märkte.
  • Auch die Gespräche über einen transatlantischen Wirtschaftsraum mit globalen Standards muss Deutschland jetzt intensiv beginnen.
  • Wir fordern, jetzt einen neuen Anlauf für ein umfassendes Freihandelsabkommen mit den USA zu starten. Falls zeitnah kein umfassendes Abkommen (wie zuvor mit TTIP geplant) realisierbar ist, sollte der nächste Schritt dorthin zunächst Einzelabkommen für bestimmte Wirtschaftsbereiche sein.
  • Nach der Wahl in Brasilien ist klar, dass jetzt die Zeit gekommen ist, dass Mercosur Abkommen abzuschließen. Dazu müssen die Gespräche schnellstmöglich wieder aufgenommen werden.
  • Freier Handel muss aber immer auch fairer Handel sein. Das bedeutet insbesondere Reziprozität im Marktzugang und den Abbau von Marktverzerrungen. Dazu gehört auch, dass etwa geringere Arbeits- und Umweltschutzstandards anderswo nicht zum Wettbewerbsnachteil für Europa werden dürfen; daher unterstützen wir grundsätzlich ein Lieferkettengesetz und den geplanten Carbon Border Adjustment Mechanism.

Lieferketten und Rohstoffe

Die Funktionsfähigkeit der Wirtschaft hängt heute vor allem auch von funktionierenden Lieferketten und der Verfügbarkeit von Rohstoffen ab. Nicht nur durch den Angriffskrieg, den Russland gegen die Ukraine führt, sondern auch zuvor durch Corona zeigte sich drastisch, wie verletzlich diese Lieferketten heute sind. Das gilt zum einen im Bereich der Transportkapazitäten, aber auch und insbesondere im Bereich kritischer Rohstoffe. Hier müssen wir deutsche, aber vor allem europäische Interessen viel besser und vorausschauender berücksichtigen. China tut dies im Wege der „doppelten Zirkulation“ längt. Wir dürfen keine Angst mehr davor haben, diversifizierte strategische Partnerschaften einzugehen, um uns auch in Zukunft Zugang zu kritischen Rohstoffen zu sichern. Klar ist allerdings auch geworden; Wir haben viel zu wenig Daten und Informationen über unsere Lieferketten oder deren Vulnerabilität.

  • Um hier schnelle Schritte in Richtung sichererer Versorgung mit Rohstoffen und Gütern zu gehen, müssen wir sowohl den European Chips Act schnell umsetzen als auch dafür sorgen, dass der Critical Raw Material Act schnell vorangebracht wird.
  • Wir brauchen eine eigene deutsche Rohstoffstrategie, die die für Deutschland kritischsten Materialien und Rohstoffe in den Blick nimmt und in Zusammenarbeit mit der Wirtschaft die Lieferketten dazu absichert. Dabei müssen die Ökologischen, Sozialen und Governance Kriterien (ESG) eine zentrale Rolle spielen.
  • Rohstoffsicherung muss endlich in der Nationalen Sicherheitsstrategie und Chinastrategie berücksichtigt werden.
  • Das Bergrecht muss so modernisiert werden, dass Bergbau in Deutschland z.B. die Förderung von Lithium und ggfs. auch von Gas durch moderne und umweltunschädliche Frackingtechnologien wieder möglich und attraktiv wird.

Energie

Russland greift die Ukraine an, und gleichzeitig führt Russland einen Energiekrieg gegen Europa. Das führt zu Verwerfungen an den Märkten und hat uns dazu gezwungen, schnellstmöglich eine LNG-Infrastruktur aufzubauen. Gleichzeitig ist das Versprechen von verlässlichem, billigen russischen Pipeline Gases für immer gebrochen. Das bedeutet: Wir brauchen eine neue Strategie günstiger Energieversorgung in Deutschland und Bayern.

Aus Sicht der Freien Demokraten baut diese auf drei Säulen: Gas für eine Übergangszeit, aber so diversifiziert, dass wir alle Bezugsquellen, insbesondere auch die deutschen, nutzen, Wasserstoff als langfristiger grundlastfähiger Energieträger, und den massiven Ausbau der erneuerbaren Freiheitsenergien. Um dies zu schaffen, müssen alle bürokratischen Hürden abgebaut werden und die gesamte deutsche Energieversorgung ins überragende öffentliche Interesse gestellt werden. Als Übergangstechnologie wollen wir zudem alle verfügbaren Kernkraftwerke bis mindestens 2024 weiterbetreiben und dafür auch notwendige Brennstäbe neu besorgen.

Zusätzlich müssen wir die Forschung im Bereich der Kernfusion besonders fördern. Kernspaltung ist von Kernfusion strikt abzugrenzen. Es ist weitestgehend unstrittig, dass der immer weiter steigende Strombedarf langfristig wohl nur mit Kernfusion bedient werden kann. Daher sollte Europa hier Vorreiter sein und die entsprechende Forschung unterstützen, sowie günstige rechtliche Grundlagen für Entwicklung und Einsatz von Kernfusionsreaktoren schaffen.

Über all diesen Maßnahmen schwebt aber der technologische Fortschritt. Gibt es eine günstige Technologie, die die externen Kosten möglichst vollständig internalisieren kann und dabei so günstig wie die anderen Technologien bleibt, wie etwa die Kernfusion, ist unser technologischer Weg natürlich nicht fest vorbestimmt, sondern regelt sich am Markt.

Freiheitsenergien und Wasserstoff

Jedes PV-Modul auf einem Dach, jedes Windrad in der Fläche, jedes Wasserkraftwerk und jede Geothermieanlage reduziert die Abhängigkeit von ausländischen Energieimporten. Bei den Erneuerbaren Energien versucht die Ampelregierung die Versäumnisse der Union auf Bundesebene innerhalb kürzester Zeit aufzuholen. Aber auch in Bayern sieht die Bilanz der Erneuerbaren Energien nicht gut aus. Gerade der Windkraftausbau leidet unter der Politik der CSU. Dieses Jahr gingen bisher gerade einmal vier neue Windenergieanlagen ans Netz. Die schlechte Bilanz bei den Erneuerbaren Energien ist einer der Hauptgründe, warum die Staatsregierung in der aktuellen Krise stets nur Forderungen nach Berlin schickt: Ihre eigenen Hausaufgaben zur sicheren Energieversorgung hat sie nämlich nicht erledigt.

  • Aktuell werden von den 18 regionalen Planungsverbänden die Vorranggebiete für Windenergieanlagen festgelegt. Dabei muss ein ausschlaggebendes Kriterium die Windhäufigkeit sein. Geschieht das nicht, könnten Flächen für die Windkraft ausgewiesen sein, die sich nicht für größere Projekte eignen.
  • Die aktuelle Ausweisung von Vorranggebieten für die Windenergie in den Planungsregionen soll sich auch an der Windhöffigkeit der Region orientieren.
  • Zudem muss die 10H-Regelung vollständig abgeschafft werden. Ein Herumdoktern an ihr, wie es die Staatsregierung zur Zeit betreibt, ist unsachgemäß und wenig hilfreich.
  • Die Geothermie ist der schlafende Riese der bayerischen Energiewende. Unser Freistaat hat deutschlandweit einzigartige Voraussetzungen für die Nutzung von Tiefengeothermie zur regionalen Wärme- und Stromversorgung. Um Gemeinden einen Anreiz für Probebohrungen zu geben, schlagen wir in geeigneten Regierungsbezirken die Vergabe von Tiefengeothermie-Bohrrechten vor. Im Falle einer erfolgreichen Bohrung erhalten die Kommunen oder Landkreise von den Betreibern reduzierte Anschluss- und Verbrauchsgebühren.
  • Auch bei der Wasserkraft ließe sich noch Potenzial heben. Zwar redet die Staatsregierung gerne davon, die Wasserkraft ausbauen und modernisieren zu wollen - bisher ist jedoch wenig geschehen. Gerade in der aktuellen Krise muss die Politik dafür sorgen, dass Betreiber ihre Anlagen mit effizienten Turbinen aufrüsten können. Zudem sollte der Bau von Pumpspeicherkraftwerken erleichtert werden. Auch sollten neu entwickelte Techniken, wie die Schachtkraftwerke weiterhin vom Freistaat in Bezug auf Genehmigungen von Standorten gefördert werden.
  • Die bundeseinheitlichen Regelungen des Immissionsschutz-, Bau- und Naturschutzrechts sind ausreichend, um Anwohnerinteressen, Naturschutz und den Windkraftausbau in Einklang zu bringen. Abstandsvorgaben und bürokratische Hindernisse für die Photovoltaik müssen auf Bundesebene liberalisiert werden.
  • Wir begrüßen die von der Bundesregierung beschlossene Novelle des Energiesicherungsgesetzes (EnSiG), die eine Aussetzung der Begrenzung der vergütungsfähigen Strommenge im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) und die Flexibilisierung des Güllebonus vorsieht. Für eine weitere Steigerung der Biogaserzeugung müssen jedoch weiterhin Hemmnisse im Baugesetzbuch (BauGB) aus dem Weg geräumt werden. Ziel ist insbesondere auch eine massive Erhöhung der Einspeisepunkte ins vorhandene Gasnetz.
  • Wasserstoff wird zukünftig als Ersatz für Erdgas vor allem in der Industrie von entscheidender Bedeutung sein. Dabei darf Bayern nicht von deutschen Importen aus dem Norden abgeschnitten werden. Eine Anbindung an das deutsche H2-Backbone muss zügig erfolgen.
  • Ferner müssen dringend Planungen für Standorte von Elektrolyseuren insbesondere in der Nähe von Grundstoffindustrieansiedlungen vorangetrieben werden.
  • Auch die Interessen und Möglichkeiten der Kommunen sollten Beachtung finden. Dabei geht es um die Rahmenbedingungen für die Fern- und Nahwärmenetze, deren  Aus- und Aufbau durch ein vom BMWI+K initiiertes Förder-programm mit sofortiger Wirkung und mit erheblichen Mitteln unterstützt werden kann.
  • Die Öffnung für regionale Energiemärkte könnten den Energiehandel von Bürgern untereinander wesentlich vereinfachen. Dabei würde die örtliche und zeitliche Angebots- und Nachfragesituation besser miteinander in Einklang gebracht werden können. Das würde zu einer Entlastung von Netzen beigtragen, sowie Einsparungen und Verwaltungsvereinfachungen bringen. Ggfs. sollte Steuerbefreiung von "Bürger- und Mieterstrom" angestrebt werden.

Erdgas als Übergangstechnologie

In Deutschland gab es lange den Grundkonsens, kein Frackinggas zu nutzen, sondern stattdessen auf Pipelinegas aus Russland und Norwegen zu setzen. Diese Gewissheit endete mit dem Angriffskrieg Russlands. Jetzt brauchen wir so schnell es möglich ist eine diversifizierte Gasbeschaffung. Denn Gas wird als grundlastfähige Energie und in Form von Spitzenlastkraftwerken mindestens bis Ende der 2030ger Jahre gebraucht. Wir werden dazu auf Frackinggas setzen müssen. Aber wir müssen auch Verantwortung für unser Handeln übernehmen. Deutschland kann sich das St. Florians- oder NIMBY Prinzip nicht mehr erlauben, weder lokal, noch in Bayern, noch national. Statt Frackinggas zu importieren, sollten wir alle deutschen Kapazitäten nutzen. So könnte man in Holzkirchen bei München mittels konventioneller Förderung rund 650 Millionen Kubikmeter Erdgas fördern. Genug, um die Landeshauptstadt ein Jahr lang zu versorgen. Jedoch fehlt der Staatsregierung der Mut, förderwillige Unternehmen politisch und auch vor Ort in den Gemeinden zu unterstützen. Dabei wäre jeder Kubikmeter heimisch gefördertes Gas eine Entlastung aus der Importabhängigkeit und ein Segen für die bayerische Wirtschaft. Auf Bundes- und Landesebene sollte zudem die Möglichkeiten von Fracking geprüft werden.