Perspektiven der Energiewende bis 2050 und Rolle der Wasserstoffwirtschaft

1. Wir Freie Demokraten wollen ehrgeizige Klimaziele vorantreiben, auf der Basis physikalischer Vernunft, Technologie-Offenheit und Marktwirtschaftlicher Lösungen.

Wir Freie Demokraten bekennen uns zu den in Paris 2015 beschlossenen Klimazielen.

Wir Freien Demokraten haben auf unserem 69. Ord. Bundesparteitag im Mai 2018 mit dem Beschluss „Liberale Klimapolitik“ klargemacht, dass wir ehrgeizige Klimaziele für Deutschland und Europa verfolgen wollen. Wir setzen dabei auf die Kreativität der Entwickler, Ingenieure und Unternehmer sowie die Kräfte des Marktes. Technologie-Verbote oder -Selektion durch die Politik bringen uns nicht weiter. Daher sind die Grundsätze physikalische Vernunft, Technologie-Offenheit und Marktwirtschaftliche
 Lösungen der rote Faden unserer Überlegungen und Konzepte.Wir achten auch darauf, dass kleinere, junge und innovative Unternehmen, insbesondere auch Start-ups im Wettbewerb eine Chance haben.

 2. System-orientiertes politisches Denken und Handeln ist für uns die Voraussetzung
 für effiziente und ökonomisch sinnvolle Lösungen

 Die Energieversorgung einer modernen, industrialisierten Volkswirtschaft ist ein
 komplexes System. Es geht hierbei nicht nur um Strom, sondern auch um effiziente
 Wärme und Kälte für Gebäude und chemische / industrielle Prozesse, synthetische
 Treibstoffe für Verkehr und Mobilität sowie Energieversorgung für Industrie und
 Gewerbe. Für den politisch zugesagten Umbau unserer Energieversorgung in Richtung
 CO2-Emissionsfreiheit liefern uns Wissenschaftler gute Orientierungs- und
 Ansatzpunkte, jedoch nicht die zufriedenstellenden Lösunge. Bisher beschäftigen sich
 die meisten Untersuchungen mit Teilaspekten, die Ergebnisse werden sehr schnell zum
 politischen Imperativ, auch wenn zum Beispiel die Streubreite des auf Basis solcher
 Teilbetrachtungen prognostizierten künftigen zusätzlichen deutschen Strombedarfs
 zwischen 0% - 100% liegt. Erst relativ wenige Studien haben sich bis heute mit dem
 Gesamtsystem „Energieversorgung“ (incl. wachsende Sektorenkopplung) im Europäischen,
 und auch im internationalen Kontext beschäftigt. Für uns Freie Demokraten ist system-
 orientiertes politisches Denken und Handeln jedoch die Voraussetzung für effiziente
 und ökonomisch sinnvolle Lösungen.

 3. Wir Freie Demokraten wollen Energieversorgung vor allem in Europäischen und
 internationalen Zusammenhang denken

 Für uns Freie Demokraten stehen die Kriterien „versorgungssicher“, „umwelt- /
 klimafreundlich“, und „bezahlbar / wirtschaftlich“ im Mittelpunkt der Energiepolitik.
 Allerdings wird eine Energiewende mit radikalen Eingriffen in Wohneigentum,
 Landschaftsbild und Naturschutz letztlich nur dann gesellschaftlich akzeptabel sein,
 wenn sie auch für die von EE-Ausbau unmittelbar Betroffenen akzeptabel ist. Daher
 wird es Grenzen für den Ausbau von onshore-Windkraft und teilweise auch Freiflächen
 PV in Deutschland geben, die nach Meinung von uns Freien Demokraten zu respektieren
 und ins Kalkül zu ziehen sind. Die Wasserstoffwirtschaft und die internationale
 Kooperation beim Import von Wasserstoff bieten hier Auswege. Deutschland wird nicht
 sinnvoll energie-autark werden können. Wir Freie Demokraten wollen Energieversorgung
 deshalb vor allem in Europäischen und internationalen Zusammenhang denken. Bei diesen
 Kooperationen müssen wirtschaftliche Aspekte, z.B. die Vermeidung von Dauer-
 Subventionen, einen hohen Stellenwert haben.

 4. Wir Freie Demokraten wollen Technologie-Neutralität und internationalen Energie-
 Handel

 Angesichts der sehr unterschiedlichen Prognosen des künftigen Strombedarfs in
 Deutschland und der heute teils noch ungelösten technischen Herausforderungen
 (Netzausbau, große Speicher noch nicht hinreichend verfügbar, Regelung ohne fossile
 oder nukleare Kapazitäten), die mit einem extrem hohen Wind- und Solarstromanteil im
 Netz verbunden sind, ist es unser politisches Ziel, den Einfluss auf den Strombedarf
 in Deutschland bei allen energie-politischen Weichenstellungen (incl. Mobilität,
 Heizwärme) im Auge zu behalten und nicht künstlich zu erhöhen. Dabei sollte das
 Postulat der Technologieneutralität strikt verteidigt werden (keine offene oder
 indirekte Bevorzugung direkter elektrischer Lösungen durch den Staat (z.B. künftig
 Einbeziehung von synthetischen Kraftstoffen in die Berechnung der Flottenverbräuche),
 keine politisch gelenkte Totalelektrifizierung weiter Lebensbereiche). Ein
 technologie-neutraler Ansatz muss auch bei der Förderung von Energie- Infrastruktur
 verfolgt werden. So sollten z.B. Infrastrukturen für die Wasserstoff-(H2)-Wirtschaft
 wo notwendig gleichermaßen gefördert werden, wie Stromnetze, da Energie in Form von
 Wasserstoff besser über lange Strecken transportier- und lagerbar ist und Wasserstoff
 bzw. synthetische Kraftstoffe auf H2-Basis als wesentlicher Teil der deutschen
 Versorgung importiert werden können.

 Wir wollen eine effizientere Strom-Infrastruktur durch mehr Speicher und
 Erleichterung des Eigenverbrauchs. Beides darf nicht durch ungerechtfertigte bzw.
 mehrfache Abgaben erschwert werden.

 Anmerkung: Alle wesentlichen Studien rechnen schon mit sehr ehrgeizigen
 Energieeffizienz-Zielen, dahin muss auch unser Bemühen gehen. Digitalisierte,
 intelligente Infrastruktur und neue Geschäftsmodelle haben noch viel
 Effizienzpotential, das es zu heben gilt. Wenn wir überhaupt die in den Studien
 genannten Stromverbräuche erreichen wollen, muss sich die Energieeffizienz in
 Industrie und privaten Haushalten dramatisch verbessern. Gerade im Gebäudesektor wird
 für die Umstellung viel Zeit benötigt, Investitionen werden nur getätigt, wenn sie
 sich rechnen.

 5. Der Grundsatz von Versorgungssicherheit, Vernunft und Wirtschaftlichkeit muss
 wieder in den Vordergrund der Energie- und Klimaschutzpolitik rücken.

 Die nie wirklich geführte Debatte „Deutsches CO2-Reduktionsziel im Jahre 2050 80%
 oder 95% ?“ ist inzwischen von der Realität überholt. Die meisten Industrieverbände
 peilen 95% (wie die Bundesregierung und viele Wissenschaftler) an. Dabei ist in
 vielen Bereichen noch weitgehend ungeklärt, welche Auswirkungen auf die
 internationale Wettbewerbsfähigkeit zu erwarten sind und wer die resultierenden
 Kosten trägt Für uns Freie Demokraten ist ein ehrgeiziges Ziel ein gutes Ziel, gerade
 für ein Exportorientiertes Land wie Deutschland, solange man politisch definierte
 Teilreduktionspfade als Orientierung begreift und nicht zum Dogma erhebt (Anmerkung:
 Differenz 95% – 80% = für D ca. 185 Mio t p.a., weniger als China heute in einer
 Woche emittiert
).Im Mittelpunkt allen energiepolitischen Handelns muss neben der
 Versorgungssicherheit die physikalische und wirtschaftliche Vernunft stehen. Wenn
 Deutschland dabei in Teilbereichen einen politisch geplanten Termin nicht punktgenau
 erfüllen könnte, muss auch mehr deutscher Mitteleinsatz für mehr und schnellere CO2-
 Einsparung in anderen Regionen gutgeschrieben werden dürfen, was oft sogar die
 größere Klimawirkung erzeugen könnte. Das bedeutet für uns Freie Demokraten nicht,
 dass wir uns in Deutschland auf dem Erreichten ausruhen wollen, wollen, sondern auf
 mehr Flexibilität, Wettbewerb und weniger auf Partikularinteressen setzen. Der
 Zertifikate-Preis aus einem weltweiten Handel mit CO2-Emissionsrechten muss ein
 wichtiger Investitionsmotivator werden. Subventionen zur Anreizregulierung müssen
 zeitlich begrenzt sein. Das deutsche EEG, das u.a. vom Bundesrechnungshof hart
 kritisiert wurde, muss schrittweise abgeschafft werden bzw. unter weitgehender
 Streichung von Dauer- Subventionen weiterentwickelt werden.

 6. Wir Freien Demokraten wollen in Deutschland und Europa mittelfristig fossile
 Energieträger durch Wasserstofftechnologie ersetzen. Der Wasserstoff-Import ist ein
 Schlüssel dazu.

 Volatile erneuerbare Energien wie Windkraft und Photovoltaik aus nationalen
 Potentialen werden unseren Energiehunger niemals vollständig zu jeder Zeit sicher
 stillen können. Soviel Anlagen können in Deutschland gar nicht gebaut werden, schon
 gar nicht im Konsens mit den Betroffenen. Die wegen der starken Schwankungen der
 Wind- und PV-Stromproduktion bei einem Windstrom- und PV-Anteil im Strommix
 essentielle Speicherung ist nach wie vor nur im Haus- oder Siedlungsmaßstab
 verfügbar, bei regionaler oder gar landesweiter Betrachtung jedoch technisch
 weitgehend ungelöst. Energieautarkie ist also kein realistisches und sinnvolles Ziel.
 Zudem kann Strom nicht den gesamten Energiebedarf decken, z.B. für Hochtemperatur
 Prozesswärme (Industrie), und kann nur verlustreich über weite Strecken transportiert
 werden.

 Wasserstoff hingegen ermöglicht ebenfalls eine CO2-freie Energieversorgung, wenn er
 aus Erneuerbaren Energien („grüner Wasserstoff“) oder via Dampfreformierung z.B. mit
 Erdgas hergestellt wird und das CO2 im Abgas abgeschieden und genutzt (CCU) bzw.
 gespeichert (CCS) wird („blauer Wasserstoff“). Im Mittelpunkt muss nach unserer
 Auffassung nicht die Farbenlehre und damit nicht eine einseitige Festlegung auf die
 Erzeugungsmethode und den Erzeugungsort, sondern die CO2-Effizenz stehen. Wasserstoff
 ist lager- und transportierbar und (im Gegensatz zum Strom) als Treibstoffbasis (z.B.
 auch Synthetische Kraftstoffe) für Flugverkehr, Schifffahrt und Fern-Lasttransporte
 und längerfristig wahrscheinlich auch für PKW gut geeignet. Wir Freien Demokraten
 wollen daher im Energiemix auf die Wasserstofftechnologie setzen.

 Wir wollen uns in diesem Zusammenhang aktiv und öffentlichkeitswirksam gegen Energie-
 Autarkie-Illusionen und für den Import von Wasserstoff bzw.synthetische Kraftstoffe
 und einsetzen, für deren regenerative Produktion in vielen Regionen der Welt
 wesentlich bessere Bedingungen herrschen, als in Deutschland. Trotz Transportkette
 werden („grüner“ oder „blauer“) Wasserstoff mittelfristig kostengünstig nach Europa
 und Deutschland importiert werden können. Es wird kein H2-Mangel zu befürchten sein:
 Allein die 25 besten Regionen für Wind- und oder PV-Stromproduktion haben das
 Potential um das Dreifache an H2 zu exportieren, was die G20 Länder für die
 Einhaltung ihrer Klimaziele benötigen (siehe Dissertation Heuser IEK3 FZ Jülich). Für
 uns Freie Demokraten gehört dazu auch der Aufbau eines fairen internationalen H2-
 Handelssystems. Hier sind viele Details noch zu regeln (z.B. Zertifizierung der
 Zusammensetzung / Qualität, etc). Europa sollte hierbei die Federführung anstreben
 und im Rahmen seiner Energiepolitik bereits heute Kooperationsvereinbarungen mit
 potentiellen H2-Produzentenländern in aller Welt vorantreiben.

 7. Spielregeln im Markt fair gestalten

 In diesem Zusammenhang wollen wir Freien Demokraten ein intelligentes Zusammenspiel
 von marktwirtschaftlichen Anreizen entwickeln, mit dem die o.g. Ziele am besten
 erreicht werden können. Elemente dazu sind z.B. die Erweiterung des CO2-Zertifikate
 Handels (ohne weitere Regulierung durch Energiesteuern), Abschaffung des EEG,
 Forschungsförderung bis hin zu großtechnischen Pilotanwendungen (Reallabore) aber
 ohne Subventionierung im Stil des EEG, markt- und wettbewerbsgerechte Preisbildung
 mit Arbeits-, Leistungs- und Reserveleistungspreisen, etc.

 Wir Freien Demokraten wollen, dass die sich die sich entwickelnde
 Wasserstoffwirtschaft in einem möglichst offenen freien marktwirtschaftlichen
 Wettbewerb durchsetzen muss. Deutschland muss in allen politisch definierten
 Energiewendeszenarien zur CO2 Vermeidung auch bei einem großen Beitrag der
 Wasserstoffwirtschaft auf globalem Niveau wettbewerbsfähig bleiben können. Schlüssel
 bei der Gestaltung einer nachhaltigen, weltweiten Wasserstoffwirtschaft ist ein
 gesundes Level Playing Field für alle Marktteilnehmer.

 8. Gründungs- und Arbeitsplatzpotentiale der Wasserstoffwirtschaft nutzen

 Wie in der IT/Software-Branche steckt auch in den Gründungen auf dem Feld der
 Wasserstoffwirtschaft ein unglaubliches Innovationspotential. Gerade junge
 Unternehmen brauchen deshalb neben Innovationsförderung vor allem einen gesetzlichen
 Rahmen, der ihre Rolle gegenüber den etablierten Spielern stärkt.

 Wettbewerb findet in der Energiebranche nicht nur auf der gleichen
 Wertschöpfungsebene statt. Deshalb müssen die Rahmenbedingungen überall so gesetzt
 werden, dass weder direkte noch indirekte Benachteiligung kleinerer Marktteilnehmer
 entstehen und sich neue Geschäftsmodelle und nachhaltige Arbeitsplätze entwickeln
 können.