Lauinger Erklärung für Flüchtlingsschutz, Zuwanderung und Integration

(PDF-Version herunterladen) Beschluss des Landesparteitags in Lauingen vom 21./22. November 2015 Präambel Wir Freien Demokraten bekennen uns ausdrücklich zu dem im Grundgesetz verankerten Asylrecht als individuelles Grundrecht und der Genfer Flüchtlingskonvention. Das Asylrecht stellt einen zentralen Wert des Grundgesetzes dar, an dem unter keinen Umständen gerüttelt werden sollte. Jede Einschränkung des grundgesetzlich verankerten Asylrechts lehnen die Freien Demokraten Bayern daher strikt und entschieden ab. Es ist eine staatliche Pflicht alle ankommenden Menschen menschenwürdig unterzubringen. Brandstiftern, die aus dem Leid von Flucht und Vertreibung politisches Kapital schlagen wollen, treten wir entschieden entgegen. Wir erwarten aber auch von der internationalen Staatengemeinschaft, der Europäischen Union und den Mitgliedsstaaten der EU, dass sie ihrer Verantwortung aus den internationalen Abkommen und Verträgen nachkommen. Die Zahl der Flüchtlinge, die in Deutschland ankommen, ist in den letzten Monaten dramatisch angestiegen. Gerade Bayern ist, trotz der großen Hilfsbereitschaft der Menschen, unter den jetzigen Bedingungen an die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit gestoßen. Die Freien Demokraten haben großen Respekt vor allen ehrenamtlichen Helfern, aber auch vor den vielen Angestellten im öffentlichen Dienst und den Beamtinnen und Beamten, die sich in den letzten Wochen bis an die Grenze der Belastbarkeit eingebracht haben. Gleichzeitig darf die Betreuung der eigenen, hilfsbedürftigen Bevölkerung nicht vernachlässigt werden, weil dies eine Stimmung gegen die Flüchtlinge hervorrufen würde.
  1. Rechtsstaat wahren
Die Freien Demokraten bekennen sich auch angesichts der großen Herausforderungen der Flüchtlingsproblematik zum vom Grundgesetz vorgegebenen Rechtsstaat! Dies bedeutet insbesondere, dass die Exekutive - allen voran die Bundeskanzlerin – an Recht und Gesetz gebunden ist. Nationale, europäische und internationale Gesetze sind einzuhalten. Das bestehende Aufenthalts-, Asyl- und Ausländerrecht ist umzusetzen und erforderliche Infrastruktur dafür zu schaffen. Gegebenenfalls ist neues Personal einzustellen. Die Freien Demokraten geben dem wirksamen Vollzug bestehender Regelungen den Vorzug vor der aktionistischen Neuschaffung von Paragraphen ohne praktische Konsequenzen. Die Schengen-Regelungen sind einzuhalten. Die Bundesregierung wird aufgerufen, im europäischen Ausland darauf hin zu wirken, dass europäisches Recht eingehalten wird. Bei anhaltenden Verstößen sind entsprechende Sanktionsverfahren einzuleiten. Kriegsflüchtlinge sollten für die Dauer der Bedrohung in ihrer Heimat humanitären Schutz genießen. Deutschland muss jedoch das klare Signal in die Herkunftsländer senden, dass wir uns bei aller Solidarität das Heft des Handelns nicht aus der Hand nehmen lassen. Deshalb sollten wir Kriegsflüchtlinge nicht auf dem Wege des herkömmlichen Asylverfahrens, sondern mit einer davon unabhängigen, zeitlich begrenzten Erlaubnis den Aufenthalt in Deutschland ermöglichen. In Verbindung mit einem modernen Einwanderungsgesetz erhalten so auch Flüchtlinge, die keinen Asylstatus erhalten, die Möglichkeit, dauerhaft in Deutschland Fuß zu fassen, sofern sie auf dem Arbeitsmarkt Fuß fassen und ihren Lebensunterhalt selbst erwirtschaften können. Durch den Status der Duldung müssen sie während des Einwanderungsverfahrens nicht fürchten, abgeschoben zu werden. Die FDP Bayern fordert, die organisatorische sowie finanzielle Zuständigkeit für Verfahren und Unterbringung von Schutzsuchenden komplett beim Bund zusammenzuführen. Die Versorgung von Antragstellern erfolgt während des Verfahrens in dezentralen Aufnahmeeinrichtungen des Bundes unter besonderer Berücksichtigung der Bedürfnisse unbegleiteter Minderjähriger und anderer verletzlicher Gruppen. Das Verfahren muss grundsätzlich innerhalb von drei Monaten abgeschlossen sein. Erfolgt nach einer Ablehnung keine freiwillige Ausreise, müssen Abschiebungen konsequent und zeitnah durchgeführt werden.
  1. Wirtschaftsmigration
Migration kann nicht die einzige Antwort auf Armut und soziale Probleme in den Herkunftsländern sein. Diese können erfolgversprechend nämlich nicht durch andere Länder von außerhalb allein gelöst werden. Eine wirklich nachhaltige und friedensstiftende Lösung kann nur von innen und vor Ort kommen.
  1. Fluchtursachen
Fluchtursachen müssen bereits in den Herkunftsländern bekämpft werden. Kriege, Terrorismus, Bedrohung von Leib und Leben sowie wirtschaftliche Perspektivlosigkeit und Armut – die Gründe, warum Menschen aus ihrem Land fliehen, lassen sich nicht so einfach beseitigen. Dazu bedarf es eines eng vernetzten Einsatzes humanitärer, außen- und sicherheitspolitischer, entwicklungspolitischer und wirtschaftlicher Instrumente. Wir fordern die Sicherstellung der Finanzierung dezentraler Organisationen (UNHCR, Welthungerhilfe), damit diese in den Flüchtlingslagern vor Ort die Grundversorgung der Menschen sicherstellen können. Nur durch enge Partnerschaften mit den betroffenen  Ländern lässt sich langfristig etwas bewegen. Die wirtschaftliche und rechtsstaatliche Stabilisierung des Balkans muss innerhalb Europas eine neue Bedeutung bekommen. Potentiellen EU-Beitrittskandidaten muss unmissverständlich verdeutlicht werden, dass ohne Gleichberechtigung ethnischer Minderheiten und rechtsstaatlicher Strukturen ein Beitritt zur Europäischen Union nicht möglich ist. Diese internationalen Ziele werden wir mittelfristig nur im Rahmen der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) der EU lösen. In der Außenpolitik muss zudem die  Stabilisierung zerfallender Bürgerkriegsstaaten insbesondere in Afrika eine neue  Bedeutung bekommen.
  1. Zuwanderungsgesetz
Dem Migrationsdruck auf die Asylverfahren muss durch die Chance auf humanitäre Zuwanderung und Job-Visa entgegengewirkt werden. Dazu fordern wir ein interessensorientiertes Zuwanderungsgesetz. Dabei soll die Einwanderungnach Kriterien wie Bildungsgrad, Sprachkenntnis, Alter und Fachkräftebedarf am Arbeitsmarkt flexibel gesteuert werden.
  1. Beschleunigte Verfahren
Die Verfahren müssen durch zusätzliches Personal beschleunigt werden. Antrag auf Asyl muss in Notunterkünften/Erstaufnahmen innerhalb von 14 Tagen erfasst werden. Ergänzend zum Antrag müssen Bildungsabschlüsse, sprachliche und berufliche Qualifikationen erfasst werden. Bei der Anerkennung von Bildungsabschlüssen und der beruflichen Qualifikation müssen pragmatische Ansätze gefunden werden. Die unterschiedlichen Erfassungssysteme der zuständigen  Behörden müssen sofort auf Kompatibilität umgestellt werden. In der Regel  sollen die Asylverfahren innerhalb von 3 Monaten bereits in den  Landeseinrichtungen abgeschlossen werden können und diejenigen ohne Bleibeperspektive gar nicht erst in die Kommunen verteilt werden. Sie sollen vielmehr aus den Landeseinrichtungen direkt ausreisen. Sprachunterricht, Unterricht in politischer Kultur und die Vermittlung von Werten müssen bereits in den Notunterkünften beginnen. Sinnvoll wäre es auf Grund der aktuellen Erfahrungen, bei Altfällen, also solchen Verfahren, die jetzt bereits anhängig sind, sämtliche Anträge von Menschen aus den Ländern Syrien, Irak und Eritrea nach einer Sicherheitsüberprüfung pauschal anzuerkennen. Bei Vorlage von gültigen Ausweispapieren sollen diese Menschen einen Flüchtlingsstatus erhalten. Ein Anspruch auf Sozialleistungen soll für Zuwanderer aus EU- und Drittstaaten gleichermaßen frühestens nach zwölf Monaten sozialversicherungspflichtiger Arbeit bestehen. Wer dauerhaft für seinen Lebensunterhalt selbst sorgen kann, soll zuerst eine befristete und später eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung erhalten.
  1. Integration und Ausbildung
Der beste Weg zu einer gelungenen Integration führt über die Sprache. Daher bedarf es eines größeren Angebotes kostenloser Sprach- und Integrationskurse. Die Werte unserer Gesellschaft dürfen nicht zur Disposition stehen. Die Flüchtlinge müssen unsere Werte respektieren. Das Grundgesetz gilt für alle Menschen in Deutschland und jeder ist vor dem Gesetz gleich. Wir verbauen jungen Flüchtlingen ihre Zukunft, wenn wir sie nicht ermutigen, eine Ausbildung zu absolvieren denn sie werden die Fachkräfte von morgen sein, die Deutschland dringend benötigt. Wer seinen Lebensunterhalt selbst bestreiten kann, gewinnt Selbstvertrauen und ist auf dem besten Weg, in die Gesellschaft integriert zu werden. Wir müssen dafür sorgen, dass Asylbewerber, die in der Lage sind, ihren Lebensunterhalt selbst zu bestreiten, dies auch dürfen. Für nicht mehr schulpflichtige Jugendliche sind Angebote auszubauen. Um Arbeitgeber zu motivieren Auszubildende einzustellen, ist eine 3+2-Regelung einzuführen. Die Regelung soll sicherstellen, dass für drei Jahre Ausbildung und anschließend zwei Jahre Beschäftigung Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Für die Unternehmen ist damit sichergestellt, dass sich ihre Investitionen in Ausbildung auch rechnen. Bleibeberechtigte Flüchtlinge können sofort eine versicherungspflichtige Tätigkeit in der Zeitarbeit aufnehmen. Bei der Vermittlung von bleibeberechtigten Flüchtlingen über die Bundesagentur für Arbeit entfällt die Vorrangprüfung. Arbeitgeber sollen durch einen vereinfachten Kontakt mit der Agentur für Arbeit bei der Ausbildung von Flüchtlingen unterstützt werden. Für die schnelle Integration in den Arbeitsmarkt fordern wir die Aussetzung des Mindestlohngesetzes für Flüchtlinge auf Zeit.
  1. Lastenausgleich in EU und Deutschland
Wir fordern einen gerechten Lastenausgleich in der Europäischen Union. Wir brauchen ein solidarisches Europa, gerade wenn es darum geht, den Flüchtlingen Zuflucht zu bieten und ein menschliches Leben zu ermöglichen. Dieser Aufgabe müssen sich alle Staaten innerhalb der EU stellen. Ziel muss es sein, dass alle Mitgliedsstaaten Flüchtlinge in angemessener Zahl aufnehmen. Bis dieses neue System Realität geworden ist, brauchen wir einen europäischen Ausgleichsfonds zur Unterstützung von Mitgliedsstaaten mit einer hohen Aufnahmequote. Im Rahmen der europäischen Solidarität fordern wir daher einen Aufnahmeschlüssel für Flüchtlinge, der sich nach Einwohnerzahl und Wirtschaftskraft richten soll! Das Dublinverfahren ist deshalb nicht mehr anzuwenden. Gleiches gilt auch für Deutschland. Nach wie vor kommen viele Bundesländer ihren Verpflichtungen auf Aufnahme von Flüchtlingen nach dem Königssteiner-Schlüssel nicht oder nur zögernd nach. Wer aber innenpolitisch die Solidarität anderer Bundesländer einfordert und in Anspruch nimmt, muss auch bei der Flüchtlingsfrage so handeln. Die kurzfristigen aufgetretenen starken finanziellen Belastungen auf kommunaler Ebene sind gravierend und bedürfen der dringlichen Unterstützung durch die Bundesregierung. Schätzungen besagen eine Gesamtbelastung von 6-12 Milliarden Euro für das nächste Jahr in Deutschland. Diese finanzielle Belastung müssen die Regionen und somit die Lokalpolitik zunächst alleine stemmen. Hierfür stehen den kommunalen Haushalten keine zusätzlichen Mittel zur Verfügung. Wir fordern, dass der Bund die finanzielle Verantwortung für die Flüchtlingsaufnahme in Deutschland übernimmt. Zudem muss ein standardisiertes Verfahren für die Abrechnung zwischen den Kommunen eingeführt werden. Es kann nicht sein, dass bayerische Kommunen erst die immensen Belastungen der Unterbringung auch von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen übernehmen und dann sich mit den eigentlich verantwortlichen Kommunen mühsam und langwierig auf die Übernahme der Kosten verständigen müssen.
  1. Unterbringung
Notunterkünfte dürfen keine Dauerlösung sein. Auf Dauer ist in diesen kein menschenwürdiges Zusammenleben möglich. Deshalb müssen schleunigst vom Bund entsprechende dauerhafte Unterbringungsmöglichkeiten geschaffen werden. so dass Flüchtlingen nach maximal vier Wochen aus den Notunterkünften in ordentliche Unterkünfte untergebracht werden können. Die Kommunen dürfen damit nicht alleine gelassen werden. Auch eine dezentrale Unterbringung soll möglich sein. Die Frage nach der Unterbringung von Flüchtlingen stellt die Gemeinden vor enorme Herausforderungen und Probleme. Vielmehr geht es darum vorhandene Kapazitäten sinnvoll zu nutzen. Auch hier dürfen Denkverbote keine Rolle spielen. Als Konsequenz aus den Überforderungen der letzten Monate fordern wir, dass alle leer stehenden Gebäude in kommunalem Besitz als Automatismus als Asylbewerberunterkunft geprüft werden. Bevor der Staat privates Eigentum beschlagnahmt, muss er alle eigenen Ressourcen tatsächlich nutzen. Damit eine solche Maßnahme Wirkung zeigen kann fordern wir außerdem die Flexibilisierung des Baurechts dahingehend, dass eine Umwidmung bestehender Gebäude zu Unterkünften schneller möglich wird, auch wenn die Gebäude mit einem anderen Nutzungszweck erbaut wurden (z.B. ehemalige Altenheime).