Für schnelle und nachhaltige Reformen des Beschaffungswesens der Bundeswehr

In der Bundeswehr sind im Beschaffungswesen vor dem Hintergrund eines effektiven und effizienten Einsatzes der zur Verfügung stehenden Mittel Reformen umzusetzen. Nur Geld auf ein marodes Beschaffungswesen zu geben, löst das Problem nicht.

Das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) ist verantwortlich für die Beschaffung von militärischem Gerät und Material sowie für die Planung und Durchführung von Projekten innerhalb der Bundeswehr. Die Genehmigung wesentlicher Beschaffungen durch das Bundesverteidigungsministerium (BMVg), den Verteidigungsausschuss und Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestags sind Voraussetzung zur Einleitung der Beschaffungsprozesse.

Die im Ampel-Koalitionsvertrag vereinbarten Forderungen nach Reformen komplexer Verwaltungsstrukturen und verkrusteter Managementprozesse zu Planung, Einkauf und Erprobung neuer Ausrüstung der Bundeswehr müssen zeitnah in die Tat umgesetzt werden. Die Strukturen des BAAINBw verharren bis heute in den Formen vor der Zeitenwende, was zu langen Vergabe- und Prüfverfahren und damit zur verzögerten Einführung von Wehrmaterial führt. Die heutigen Verfahren werden dabei nicht nur verzögert, sondern führen auch zu Mehrkosten und Risiken bei der Umsetzung.

Die gegenwärtigen Beschaffungsverfahren sind insbesondere nur unzureichend ausgelegt, um den schnellen Wandel der Bedarfsforderungen durch sich ändernde sicherheitspolitische Rahmenbedingungen flexibel zu berücksichtigen. Der Patentstreit bei der Sturmgewehrbeschaffung zwischen den Firmen Hänel oder Heckler & Koch zeigt auf, wie vergaberechtliche Probleme bei fehlender rechtlicher Handhabung die Einführung neuen Geräts erheblich verzögern und kostentreibend beeinflussen können.

Das Beschaffungsbeschleunigungsgesetz (BwBBG) war ein erster richtiger Schritt zur Beschleunigung von Beschaffungsvorhaben. Die stark bürokratisierten Prozessstrukturen von größeren Rüstungs- und Projektvorhaben lähmen die Bundeswehr aber weiterhin.

Veränderungen bzw. Verbesserungen sind geboten beim Personalmanagement, beim Bürokratieabbau, bei der durchgehenden Digitalisierung und beim Aufbau eines modernen Qualitätsmanagements.

Um diesen Problemen zu begegnen, fordern die Freien Demokraten Bayern:

  1. Eine Erhöhung der Wertgrenzen für Einzelvorlagen von 25 Mio. € auf 100 Mio. € im Bundestag. Die Erhöhung führt dazu, dass künftig Vorhaben bis zu 100 Mio. € nicht mehr vom Bundestag zeitaufwendig beraten und beschlossen werden müssen. Hierdurch werden Entscheidungen für größere Rüstungsvorhaben beschleunigt.
  2. Politisch legalisierte Vorlagen, die es dem BMVg und dem BAAINBw im Spannungsfall erlauben, Vergabeverfahren zu verkürzen und damit die Beschaffung ohne wesentliche Einspruchsmöglichkeiten zu beschleunigen. Hierzu sollen Vereinbarungen mit den EU-Partnern zu Ausnahmeregelungen zur Abweichung der EU-weiten Vergaberichtlinien getroffen werden.
  3. Die Vergabe von Direktaufträgen soll für die Truppen bzw. Dienststellen von 5.000 € auf 50.000 € angehoben werden.
  4. Die Einführung von zeitlich strafferen Beschaffungsplänen mit starkem Monitoring der Zeitachsen unter Beibehaltung der ursprünglichen Anforderungen. Zeitliche Verzögerungen sind bei dringlichen Beschaffungsvorhaben nicht hinnehmbar.
  5. Eine Großgerätreserve und Munitionsbevorratung (Stille Reserve) mit dem Ziel der Verbesserung der Durchhaltefähigkeit und „Kaltstartfähigkeit“ soll für unterschiedliche Bedrohungs- und Einsatzszenarien eingerichtet werden.
  6. Die Fokussierung auf die Robustheit von Gerät, einschließlich der Instandsetzbarkeit unter feldmäßigen Bedingungen.
  7. Ausstattung von Kapazitäten für alle Einsatz-notwendigen Instandsetzungsstufen (kapazitiv und materiell) in der Bundeswehr und in der Industrie sowie eine den strategischen Anforderungen an die Durchhaltefähigkeit angepasste Ersatzteilbevorratung.
  8. Den Ausbau der Produktions-, Lager- und Transportkapazitäten für die logistische Versorgung der Einsatzkräfte (Ersatzteile, Verpflegung, Munition und Betriebsstoffe).
  9. Die Berücksichtigung von Interoperabilität und Austauschbarkeit von militärischen Ausrüstungen und Material durch Bedarfsträger und Bedarfsdecker. Hieraus folgt eine Konzentration auf den Kauf bewährter und marktverfügbarer Lösungen in Kooperation mit den Verbündeten und Partnern aus NATO und EU.
  10. Reformen des Preisrechts und Vertragsrechts zur Vereinfachung der Vergabe-, Genehmigungs- und Abnahmeverfahren, insbesondere
    • Zulassung von Risikozuschlägen.
    • Incentivierung von Leistungen (z.B. Bonus für zeitgerechte und frühzeitige Lieferung, nicht nur der heute angewandte Malus für verspätete Lieferungen)
    • Eine neue Haftungsregulierung, die nicht nur den Auftragnehmer sondern auch den Auftraggeber betrifft.
    • Vereinfachung der Vertragsformen, die geringere Ansprüche an die formalen und juristischen Risiken stellt.
  11. Zulassung der teilweisen Nichteinhaltung des ESG (Umwelt, Soziales, Gute Geschäftsführung) -Kriterienkatalogs der EU bei Aufträgen hoher militärischer Notwendigkeit.
  12. Standardisierung des Beschaffungsprozesses (Mustervertragskomponenten) bei Beschaffungsvorhaben unter 5 Mio. €.
  13. Einschränkung der Anwendung der Vergabeverordnung für die Bereiche Verteidigung und Sicherheit bei Ergänzungs- und Nachbeschaffungen sowie bei der Verlängerung der Nutzungsdauer von militärischen Einsatzmitteln (gilt auch für die Geschäftsbereiche im BMVg).
  14. Prüfung der Beschaffungsbeschleunigung durch bevorzugte Vergabe eines Beschaffungsauftrags an marktverfügbare Lösungen. Dabei aber unter Berücksichtigung der Fertigungskapazitäten der Lieferanten.
  15. Beachtung von Beschaffungsgrundsätzen zum Erhalt von nationalen Schlüssel-/Kernkompetenzen für die Entwicklung, Herstellung, logistische Versorgung, Instandsetzung und Modernisierung von militärischer und dual nutzbarer Ausrüstung der Bundeswehr.