Europa muss seine Sicherheit in die eigene Hand nehmen
Der ehemalige US-Präsident Donald Trump, der dieses Jahr für eine erneute Amtszeit kandidiert, hat in jüngsten Äußerungen angedeutet, dass die Vereinigten Staaten unter ihm nicht länger bedingungslos die Verteidigung und nukleare Abschreckung ihrer europäischen Bündnispartner garantieren würden. Dies hat in Europa zurecht Debatten darüber ausgelöst, dass wir uns notfalls auch selbst gegen einen möglichen Angriff verteidigen können müssen.
Wir Freie Demokraten stehen als überzeugte Transatlantiker fest zur NATO. Nichtsdestotrotz haben unsere US-amerikanischen Partner nicht erst unter der Trump-Administration bereits mehrfach deutlich gemacht, dass wir Europäer stärker auch selbst für unsere eigene Sicherheit sorgen müssen, statt uns dabei weiter vollständig auf andere zu verlassen. Gleichzeitig hat der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine gezeigt, dass Frieden nicht selbstverständlich ist: Vor unseren Toren steht ein Gegner, der uns feindlich gegenübersteht und bereits bewiesen hat, seine revisionistischen Ziele auch mit militärischer Gewalt durchzusetzen. Daher ist es unerlässlich, dass Europa sicherheits- und verteidigungspolitisch aus dem Dornröschenschlaf erwacht und diesbezüglich endlich gemeinsam handlungsfähig wird.
Unser Ziel bleibt stets, den Frieden zu bewahren, den uns die europäische Einigung in den letzten 70 Jahren gebracht hat. Zu diesem Zweck ist es allerdings auch notwendig, potenziellen Gegnern durch verteidigungsbereite Streitkräfte und glaubhafte Abschreckung deutlich zu machen, dass sich ein Angriff auf uns und unsere Verbündete nicht lohnen kann. Hierzu gehört auch die nukleare Abschreckung.
Die Europäische Union sollte daher in enger Zusammenarbeit mit unseren Verbündeten daran arbeiten, um eine gemeinsame Verteidigungsfähigkeit sicherzustellen. Die Zeitenwende muss europäisch gedacht werden. Verteidigung ist mehr als Diplomatie und Militär. Resiliente Infrastruktur, Zivilschutz und die Sicherstellung der Versorgung mit Energie benötigen mehr Priorität.
Wir brauchen eine Zusammenfassung von kleinen, verstreuten Organisationseinheiten. Wir brauchen europäische Ausschreibungen für standardisierte Waffensysteme, die ihren Namen verdienen. Wir brauchen eine europäische Verzahnung von Außen- und Sicherheitspolitik. Diese Arbeit braucht eine starke Positionierung auch gegenüber den Mitgliedsstaaten mit einem eigenen EU-Kommissar und einem Binnenmarkt auch für Rüstungsgüter. Deshalb fordern wir die Schaffung eines EU Kommissars für Verteidigung und eines europäischen Binnenmarkts für Rüstung.
Zudem fordern wir, dass Gespräche mit Frankreich und dem Vereinigten Königreich darüber geführt werden, wie deren Atomstreitkräfte künftig auch als Schutzschirm für ihre europäischen Bündnispartner dienen können. Insbesondere die „Force de frappe“ könnte, wie bereits mehrfach von französischen Präsidenten vorgeschlagen, in eine EU-Sicherheitsarchitektur eingebettet werden und so auch im Rahmen der Beistandsverpflichtung aus Artikel 42 EU-Vertrag zur Abschreckung beitragen.
Wir bekennen uns auch angesichts der gerade stattfindenden erheblichen Investitionen in Höhe von über 11 Mrd. € zur nuklearen Teilhabe als bedeutende Pfeiler der NATO-Abschreckungsstrategie. Bei der Schaffung einer Europäischen Verteidigungsunion und Europäischen Armee soll auch ein eigener europäischen nuklearer Schutzschirm unter Berücksichtigung der vorhanden Fähigkeiten Frankreichs in Betracht gezogen werden. Dabei muss ein Konzept über die Einsatzentscheidung auf europäischer Ebene entwickelt werden. Der europäische Schutzschirm ist in die NATO-Abschreckungsstrategie einzubetten.
Unberührt davon bleibt weiterhin unsere Überzeugung, dass wir eine kernwaffenfreie Welt anstreben und die globale nukleare Abrüstung reziprok vorantreiben wollen. Solange jedoch unsere Gegner über diese Waffen verfügen, können wir nicht einseitig schutzlos bleiben.