Energiepreis-Krise begegnen: Notwendige Anpassungen im Strommarktdesign

Wir Freie Demokraten Bayern fordern angesichts massiv steigender Stromkosten, das Energie-Marktdesign so zu gestalten, dass die niedrigen Produktionskosten der Erneuerbaren Energien auch bei den Bürgerinnen und Bürgern, Handel, Gewerbe, Dienstleistungen und Industrie zur Geltung kommen.

 Merit Order System vorübergehend anpassen

Das derzeitige System der marktwirtschaftlichen Strompreisfindung nach dem Merit-Order-Prinzip funktioniert zwar nach Ansicht vieler Ökonomen prinzipiell und EU-weit gut. Daher wollen wir es nicht generell hinterfragen, sondern langfristig bewahren.

Allerdings befinden wir uns durch den vertragswidrigen Lieferstopp durch Russland, welcher zu einem akuten Gasmangel in Europa geführt hat, in einer Situation, in welcher dieses Prinzip zu extrem hohen Strompreisen führt; und zwar auch für solche Energieträger, deren Einkaufskosten gar nicht gestiegen sind. Dies belastet derzeit massiv Bürgerinnen, Bürger und Unternehmen; und droht, unsere Volkswirtschaft in eine Rezession zu stürzen. Daher müssen kurzfristig Maßnahmen getroffen werden, um diese Preisspitzen zu verhindern.

Daher fordern wir Freie Demokraten Bayern zum einen, dass für direkt vermarktete Erneuerbare Energien vorübergehend nur die garantierten Einspeisevergütungen (ggfs. zuzüglich eines geringen Aufschlags) gezahlt werden und mit der einbehaltenen Differenz zum Auktionspreis die Kaufpreise reduziert werden. Denn dass die per EEG schon abgesicherten Erzeugungsanlagen, die zudem bereits über Jahrzehnte massiv staatlich (bzw. per EEG-Umlage direkt von den Stromverbrauchern) subventioniert wurden, nun zusätzlich noch extrem hohe Gewinne aus der Gaskrise ziehen, ist kaum vermittelbar.

Im Augenblick haben Gaskraftwerke, bedingt durch die sehr hohen Gaspreise, die höchsten Kosten und bestimmen so den gesamten Strompreis. Daher fordern wir zum anderen, dass, solange der Gaspreis sehr hoch ist, Gaskraftwerke „ihren“ eigenen Merit-Order-Preis erhalten und ein zweiter Preis für Kraftwerke mit niedrigeren Kosten (und deshalb günstigeren Angeboten) gilt. Die Preisbildung für Erdgas sollte dementsprechend vorübergehend von den anderen Energieträgern (z.B. Kohle-, Wind-, Solar- und Atomkraft) abgekoppelt werden. Dazu sollen die Börsenstrompreise möglichst europaweit, sonst zunächst nur in Deutschland, unterhalb des Erdgases gekappt werden. Nur, wenn dann noch Stromspitzen durch Gaskraftwerke ausgeglichen werden müssen, sollen allein diese den höheren (bisherigen) Strompreis erhalten.

Das Merit-Order-Modell sollte auf diese Weise temporär modifiziert werden.

Finanzielle Unterstützung von Privatpersonen und Unternehmen zum Abfedern von Härtefällen

Die Strompreise so hoch zu belassen wie sie sind, um dann erst im Nachhinein sogenannte „Über-“ oder „Zufallsgewinne“ durch den Staat abzuschöpfen und wieder umzuverteilen, stellt aus unserer Sicht dagegen keinen sachgerechten Weg der Entlastung dar – nicht zuletzt, weil dies einen enormen bürokratischen Aufwand bedeuten und einen fragwürdigen planwirtschaftlichen Präzedenzfall darstellen würde, sowie im Rahmen der staatlichen Haushaltsplanung zu sachfremden Ausgaben statt direkter Entlastung von tatsächlich Betroffenen einlädt.

Insbesondere rückwirkende Eingriffe in Verträge können nicht akzeptiert werden, denn ein großer Teil der Energie wurde bereits langfristig im Voraus disponiert. Stattdessen sollte im Fokus stehen, die Strompreise selbst unmittelbar für die Verbraucherinnen und Verbraucher zu senken.

Allerdings kann es auch unabhängig vom Strompreis zu Härtefällen kommen, insbesondere wenn die Betroffenen explizit auf Gas angewiesen sind und dieses daher nicht substituieren kann (z.B. Haushalte mit Gasheizung oder Unternehmen, die Gas als Rohstoff benötigen). Für diese sollten zielgerichtete staatliche Entlastungsmaßnahmen auf den Weg gebracht werden. Ein erster, wichtiger Schritt in diese Richtung war die Senkung der Umsatzsteuer auf Gas von 19 auf 7%. 

Um den Mittelstand und den privaten Haushalten ab dem Jahre 2023 steuerwirksam zu unterstützen, setzen wir Freie Demokraten Bayern uns zudem für die Schaffung eines Energieentlastungsbetrages i.S.d. neuen § 24 c EStG ein, der von der Summe der Einkünfte im Einkommensteuergesetz abgezogen werden kann. Pauschal kann ein Betrag von 700 € pro Haushaltsmitglied angesetzt werden. Dies wäre bei einer Familie mit 2 Kindern ein Betrag von 2.800 € pro Jahr. Bei einem Einkommensteuersatz von 35% wäre die Steuerersparnis 980 € und würde die Bezieher von positiven Einkünften direkt in der Steuererklärung ab 2023 entlasten.

 Ausweitung des Angebots

Die aktuelle Problematik des Strommarkts resultiert nicht allein aus der Knappheit von Erdgas, sondern auch aus der Umstrukturierung der Erzeugungsstruktur hin zu Erneuerbaren Energien und Erdgas. Spätestens seit Mitte letzten Jahres (also lange vor dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine) lassen sich international eine Verknappung und Preissteigerungen an den Energiemärkten (Kohle, Rohöl, Gas) beobachten. Mit Beginn der russischen Invasion im Februar 2022 sowie den nachfolgenden Sanktionen des „Westen“ und Liefer-Boykotten seitens Russlands hat sich die Lage aber weiter zugespitzt. Besonders problematisch sind die massive Reduktion und die Unsicherheit bzgl. der Versorgung mit Erdgas. Unmittelbar betroffen sind vor allem der Wärmemarkt und die industrielle, stoffliche Nutzung von Erdgas; der Strommarkt ist dagegen mittelbar betroffen.

Die Ausweitung des Angebots ist deshalb die wichtigste und langfristig einzig wirksame Maßnahme, um den Strompreis dauerhaft zu senken. Dazu gehört, die Kohlekraftwerke aus den Reserven und Bereitschaften, die technisch dazu in der Lage sind, befristet für die Dauer der Krise zu aktivieren.

Insbesondere dürfen wir das Energieangebot aber nicht sogar weiter verknappen. Stilllegungen konventioneller Kapazitäten sind deshalb zu vermeiden - daher setzen wir Freie Demokraten uns unter anderem energisch für einen Weiterbetrieb der verbliebenen Kernkraftwerke ein. Auch weitere Wiederinbetriebnahmen sind ins Auge zu fassen. Dies gilt auch für die erst kürzlich vom Netz genommenen Kernkraftwerke.

Konkret das Angebot an Erdgas sollte darüber hinaus einerseits durch den bereits forcierten Ausbau von LNG-Kapazitäten gesteigert werden, jedoch auch über die eigene, heimische Förderung; inklusive mittels hydraulischer Frakturierung. Und auch Biogas sollte als Substitutionsprodukt wieder mehr genutzt werden. 

Stromerzeugung aus Erdgas sollte wegen der Mangelsituation auf das notwendige Minimum reduziert werden. Prioritäre Anwendungen von Erdgas bleiben die Wärmeversorgung der Bevölkerung (50% Gasheizung) und die industrielle Nutzung.

Zur Ausweitung des Stromangebots möchten wir die privatwirtschaftliche Stromproduktion, z.B. durch Fotovoltaikanlagen, ebenfalls fördern.

Gaspreisdeckel 

Beim Gaspreisdeckel unterscheiden wir:

a) Staatlicher/EU-Deckel auf Weltmarkteinkaufspreise (Deckel ggü. Erzeuger).

Deutschland und die EU kaufen derzeit den Weltmarkt an LNG leer. Ein Gaspreisdeckel würde LNG-Lieferungen weg von Deutschland und der EU in andere Länder umlenken, die Gas auch dringend brauchen und kapitalkräftig sind (z.B. Fernost). Die EU und Deutschland könnten dadurch bedingt ihren Gasbedarf voraussehbar nicht decken. Ein solcher Gaspreisdeckel beim Erzeuger, der auch als Sanktion gegenüber dem russischen Regime verstanden werden kann, hat daher nur im Verbund mit möglichst vielen weiteren Staaten Aussicht auf Erfolg. Um eine solche gemeinsame Aktion wollen wir uns deshalb etwa auf G7- und G20-Ebene bemühen.

b) Deckel des Preises für Gasverbraucher (Deckel beim Endkunden) bzw. -versorger (Deckel beim Gasversorger) durch staatliche Subventionierung.

Eine Preisdeckelung für die Gasverbraucher wirkt tendenziell verbrauchsteigernd und gefährdet somit die Deckung des Gasbedarfs. Gasversorger sollten nur, sofern für die Aufrechterhaltung der Gasversorgung notwendig, und dann aber direkt, unterstützt werden.

Daher empfehlen wir die direkte Unterstützung hilfsbedürftiger Bürger durch Einmalzahlungen als Beihilfe und hilfsbedürftiger Unternehmen durch Kredite und ggfs. staatliche Beteiligung (siehe auch obiger Punkt B).