Einheit in Vielfalt – Integration in eine freiheitlich-demokratische Gesellschaft

Beschluss des Landesparteitags vom 19./20.11.2016 Deutschland ist ein Einwanderungsland. Bei uns leben aktuell über 16 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund und die Zahl der Zuzüge nimmt stetig zu. Zuwanderer können unsere Gesellschaft verjüngen und zu Wachstum unserer Wirtschaft beitragen. Zuwanderung muss immer mit umfassender Integration sowie der unabdingbaren Vermittlung von Sprache und Werten begleitet werden. Integration ist keine Selbstverständlichkeit. Integration ist kein abstrakter Standardprozess. Integration heißt für uns insbesondere, Talente individuell zu fördern, die Potentiale und Visionen von Zuwanderern für den Arbeitsmarkt nutzbar zu machen und starke Personen für eine aktive Mitarbeit in Gesellschaft und Ehrenamt zu gewinnen. Gelungene Integration schafft es so, jeden einzelnen Zuwanderer unabhängig von seiner Herkunft oder seinen Zuwanderungsgründen zu einer Bereicherung für unsere Gesellschaft zu machen. Integration fordert von jedem Zuwanderer den eigenen Willen und eigene Anstrengungen zum Erreichen der Integrationsziele. Integration kann nur gelingen, wenn die Aufnahmegesellschaft dabei aktiv mitgenommen wird. Politik und Medien sind hier gefordert, positive Beispiele herauszustellen und Begegnungen vor Ort zu fördern. Probleme müssen klar ausgesprochen, aber lösungsorientiert und konstruktiv diskutiert werden. Kulturelle Besonderheiten spielen immer eine Rolle. Deutschland braucht endlich ein modernes Einwanderungsgesetz mit klaren und verständlichen Regeln nach kanadischem Vorbild. Die Einwanderung soll nach Kriterien wie Bildungsgrad, Sprachkenntnis, Alter und Fachkräftebedarf am Arbeitsmarkt bereits in den Herkunftsländern oder in der Nähe der Herkunftsländer ermittelt und flexibel gesteuert werden können. Aufklärung, Unterstützung und Betreuung von potentiellen Zuwanderern in der Nähe ihrer Herkunftsländer kann dabei nicht nur eine sichere Einwanderung nach Deutschland ermöglichen, sondern auch die Gefahren für Leib und Leben auf den Fluchtwegen reduzieren. Auch Flüchtlinge, die sich bereits im Land aufhalten, sollen nach den gleichen Kriterien beurteilt und nach positiver Beurteilung ihres Antrags so schnell wie möglich in Deutschland arbeiten und dauerhaft bleiben dürfen. Das Recht auf Asyl nach unserem Grundgesetz ist als ein Grundrecht völlig unabhängig von der Einführung eines Einwanderungsgesetzes und bleibt daher in vollem Umfang erhalten. Fördern und Fordern Jeder Zuwanderer muss unabhängig von seiner Herkunft und seinem Zuwanderungsgrund von Anfang an unsere volle Unterstützung für eine erfolgreiche Integration erhalten. Berührungspunkte mit der deutschen Gesellschaft, die Vermittlung ihrer Werte bzw. Pflichten und vor allem das Lernen der deutschen Sprache können nicht früh genug beginnen. Personen, die mit dem Gedanken einer Zuwanderung spielen, sollen deshalb schon im Herkunftsland Informationen zu Deutschland und Vorintegrationsangebote finden können. Hier ist die Bundesregierung gefragt, entsprechende Angebote in Zusammenarbeit von Botschaften und Goethe-Instituten auszubauen. Das bisherige System der Integrationskurse als staatliches Mindestangebot für bereits Zugewanderte genügt den Anforderungen unserer modernen Zuwanderungsgesellschaft nicht. Es beginnt in der Regel erst nach mehreren Monaten Aufenthalt in Deutschland und führt nur auf ein Sprachniveau, das keinen uneingeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt erlaubt. Eine Berücksichtigung von Lernstand oder individuellem Lerntempo erfolgt nur sehr eingeschränkt. Wir Liberale fordern ein neues modulares Integrationsprogramm, das die individuelle Förderung entsprechend persönlicher Bedürfnisse in unterschiedlichen Stufen bis zum Sprachniveau C1 ermöglicht. Darüber hinaus gehende Angebote im Bereich berufsbildender Maßnahmen und Ausbildungsförderung mit der klaren Zielstellung der Integration in Arbeit und Beschäftigung sind anzubieten. Entsprechende Konzepte sollen in Zusammenarbeit mit der Wirtschaft entwickelt werden. Es sind sämtliche Kosten aus Zuwanderung aus Bundessteuermitteln zu finanzieren, damit alle Steuerzahler und nicht nur die sozialversicherungspflichtig Beschäftigten die Finanzierung tragen. Sozialversicherungsbeiträge dürfen nicht zur Finanzierung der Kosten herangezogen werden. Die seit Ende August 2015 bereits aus den Sozialkassen entnommene Finanzmittel müssen aus Bundessteuermitteln in der entnommenen Höhe wieder in die Sozialkassen zurückgeführt werden. Neben Sprachförderung soll das Integrationsprogramm eine Orientierung in deutscher Kultur, Rechtsordnung und regelmäßigen Abläufen (z.B. Behördenbesuche, Einkaufen) enthalten. Sinnvoll kann je nach Herkunft der Zuwanderer darüber hinaus eine interkulturelle Sensibilisierung sein. Dabei wird auf kulturelle Unterschiede im zwischenmenschlichen Umgang allgemein aufmerksam gemacht und westliche bzw. deutsche Besonderheiten mit ihren Hintergründen erläutert (z.B. Augenkontakt beim Sprechen). Integrationsmaßnahmen für Personen, die humanitären Schutz beantragen, sollen bereits in der Aufnahmeeinrichtung beginnen. Wir Liberale differenzieren dabei nicht zwischen guten oder schlechten Bleibeperspektiven. Jeder hier gewonnene Lernfortschritt erleichtert das Asylerfahren für alle Beteiligten bis zur Anerkennung oder ggf. bis zur Rückkehr in das Herkunftsland. Im Gegenzug für unsere Unterstützung erwarten wir von Zuwanderern die Bereitschaft zum Lernen, Flexibilität bei der Teilnahme an Maßnahmen und vor allem sich aktiv auf die Grundordnung in Deutschland einzulassen. Die Verpflichtung zur Teilnahme an Integrationsmaßnahmen kann im Einzelfall notwendig und sinnvoll sein. Bereits vorhandene Möglichkeiten bei Ausländerbehörden und Jobcenter sowie die entsprechenden Sanktionierungsmaßnahmen bis hin zur Beendigung des Aufenthaltes müssen deutlich konsequenter angewendet werden. Hier fehlt von Behörden bislang häufig die Bereitschaft zu arbeitsaufwändigen Vorgängen und ggf. einer Verteidigung vor Gericht. Deutschland als Rechtsstaat und Wertegemeinschaft Grundlage für das Zusammenleben in Deutschland sind die Werte des Grundgesetzes. Jeder Person in Deutschland muss klar sein, dass insbesondere Gleichberechtigung, Familienrecht, die Achtung des Kindeswohls,  körperliche Unversehrtheit oder sexuelle Selbstbestimmung keine verhandelbaren und relativierbaren Standpunkte sind. Ihre Achtung ist unmittelbare Voraussetzung für einen Aufenthalt in Deutschland. Wir werden nicht tolerieren, dass kulturelle oder religiöse Motive über die freiheitlich-demokratische Grundordnung gestellt werden. Ziel muss es sein, dass sich alle hier lebenden Menschen mit Deutschland identifizieren, ohne ihren eigenen kulturellen Hintergrund verneinen zu müssen. Kulturelle Vielfalt statt Parallelgesellschaften Deutschland ist ein Vorbild für das Zusammenleben in kultureller Vielfalt. Regionale Besonderheiten werden bei uns nicht nur gepflegt, sondern bewusst hochgehalten. Die deutsche Kultur war dabei im Laufe der Jahrhunderte meist offen für den Einfluss von außen. So soll es auch weiterhin bleiben. Die gleiche Offenheit fordern wir von Zuwanderern. Wir erwarten den aktiven Kontakt zur Aufnahmegesellschaft. Kulturvereine dürfen keine geschlossenen Gruppen zur Brauchtumspflege sein. Stadtviertel dürfen sich nicht zu ethnisch abgeschlossenen Bereichen mit Parallelgesellschaften entwickeln. Und es darf keine No-Go-Areas für bestimmte Gruppen in deutschen Kommunen geben. Hier ist insbesondere die Kommunalpolitik mit Projekten vor Ort, Quartiersmanangement oder städtebaulichen Maßnahmen gefragt. Bund und Länder müssen diese in weit größerem Rahmen als bisher unterstützen. Empowerment für Zuwanderer Integrationsmaßnahmen müssen verstärkt darauf abzielen, dass Frauen, Kinder und Senioren Möglichkeiten erhalten, das gewohnte räumliche Umfeld zu verlassen und Einflüsse aus anderen Teilen der Gesellschaft zu gewinnen. Maßnahmen sollen persönliche Erfolgserlebnisse fördern und damit das Selbstwertgefühl und die Individualität stärken. Erfolgreich integrierte Personen wollen wir als Paten und Vorbilder für die Arbeit mit Neuzuwanderern gewinnen. Gastarbeiter und andere Zuwanderer vor 2005 haben in vielen Fällen nie von staatlichen Integrationsmaßnahmen profitieren können. Hier müssen gezielte, neue Angebote zur nachholenden Integration entwickelt werden. Vereine und Organisationen mit ehrenamtlichen Mitarbeitern sind gerade im sozialen Bereich unverzichtbare Dienstleister. Gleichzeitig sorgen sie dafür, dass Probleme in den öffentlichen Raum getragen werden, indem sie vernetzen oder Politik und Presse adressieren. Dieses in Deutschland bewährte System muss Zuwanderern stärker als bisher nahe gebracht werden. Wir wollen Zuwanderer zu ehrenamtlicher Arbeit und einer stärkeren Selbstorganisation anregen. Spannungen unter ethnischen oder religiösen Gruppen müssen dabei für eine starke gemeinsame Stimme gezielt adressiert und überwunden werden. Deutsche Vereine oder Institutionen sind ebenfalls gefragt, sich gegenüber dem Engagement von Migranten zu öffnen und Vielfalt in ihren Reihen zuzulassen. Hier ist die Arbeit der Sportvereine vorbildhaft, die spielerisch und über Sprachbarrieren hinweg Begegnungen vor Ort schaffen. Anerkennung durch Einbürgerung Die Staatsangehörigkeit stellt für uns weder eine unveränderliche Tatsache per Geburt, noch ein hoheitliches Gnadenrecht dar. Der Antrag auf Einbürgerung symbolisiert vor allem eines: das aktive Bekenntnis eines Ausländers zu unserer Gesellschaft mit all ihren Werten aber auch Pflichten. Dieses Bekenntnis wollen wir unterstützen. Wer über einen längeren Zeitraum in Deutschland lebt, für seinen Lebensunterhalt sorgt und damit für den wirtschaftlichen Erfolg der Bundesrepublik arbeitet sowie seine Bereitschaft zur Integration gezeigt hat, der hat das Recht, sich selbst als Deutschen bezeichnen zu dürfen. Dieses Recht soll auch nicht daran gebunden sein, seine alte Staatsangehörigkeit wie bisher abzugeben oder keine weiteren Staatsangehörigkeiten anzunehmen. Die Einbürgerung als symbolischer Endpunkt eines langen, arbeitsintensiven Integrationsprozesses muss deutlich mehr als bisher gefeiert werden. Wir sprechen uns für prominente und gut sichtbare Veranstaltungen an öffentlichen Orten unter Beteiligung hochrangiger Vertreter aus Staat und Gesellschaft aus. Integration und Rückkehr Zuwanderung kann, muss aber nicht den dauerhaften Aufenthalt in Deutschland bedeuten. Gerade große Firmen setzen vorübergehende Abordnungen ins Ausland gezielt zum Erwerb neuer Fertigkeiten ein. Dieses Modell - das Modell der zirkulären Migration - wird in Zukunft an Bedeutung gewinnen. Zuwanderer werden nach Deutschland kommen, mit ihrem Einsatz die deutsche Wirtschaft unterstützen und mit zusätzlichen Erfahrungen nach Hause zurückkehren. Für wirtschaftlich schwächere Staaten kann ein drohender „brain drain“hochgebildeter Arbeitskräfte so in einen „brain gain“ umgekehrt werden. Wir Liberalen fordern erleichterte Rahmenbedingungen zur Förderung zirkulärer Migration. Die bürokratischen Hürden gerade für zeitlich begrenzte Aufenthalte müssen reduziert, Möglichkeiten zur Mitnahme sozialer Leistungen geschaffen werden. Der Staat als Vorbild Staatliche Institutionen müssen sich stärker als bisher auf die Herausforderungen und Chancen der Zuwanderung einstellen. Wo möglich müssen Zugangsbarrieren oder unnötiger Verwaltungsaufwand abgeschafft werden. Im Sinne einer Serviceorientierung sollten Dienstleistungen für Zuwanderer mehrsprachig angeboten und in Welcome Centern gebündelt werden. Wir erwarten von Mitarbeitern im öffentlichen Dienst eine grundsätzlich unvoreingenommene, offene Einstellung gegenüber Zuwanderern und einen sensiblen Umgang mit herkunftslandbezogenen Besonderheiten. Der Hinweis auf eine andere Erziehung oder kulturelle Prägung darf hier jedoch auch nicht als pauschale Entschuldigung für Fehlverhalten und Nichtwissen bei Ausländern herhalten. Integration ist eine elementare staatliche Aufgabe mit hohem Abstimmungs- und Planungsaufwand. Die zahlreichen Zuständigkeiten innerhalb der Bundesregierung müssen entsprechend gebündelt, Förderprogramme an einer Stelle zusammengelegt werden. Über Synergieeffekte können so möglicherweise gleichzeitig Kosten für den Bundeshaushalt eingespart werden.