Alle (4) Jahre wieder – europäische Unabhängigkeit von US-Wahlausgängen!

Alle 4 Jahre wählen die USA einen neuen Präsidenten und alle vier Jahre kann Europa nur eines tun: den Atem anhalten und gebannt zuschauen. Erneut wurde in den letzten vier Jahren die Chance verschlafen, die Unabhängigkeit der Europäischen Union von der Politik der aktuellen US-Regierung zu verbessern. Wir dürfen uns nicht länger vor der Realität verstecken: Denn Trumps Wahlsieg zeigt uns, dass wir uns nicht bedingungslos auf den Schutz der USA verlassen können. Für uns als FDP Bayern ist klar: Wir müssen die Souveränität Europas jetzt zur Prio Nr. 1 unserer Außenpolitik machen. Militärisch, aber auch wirtschaftlich brauchen wir ein enges transatlantisches Verhältnis, in dem wir auf Augenhöhe mit den USA agieren können, ohne uns davon beeinflussen lassen zu müssen, welche Person gerade das Präsidentenamt innehat. Konkret fordern wir 5 aktuelle Punkte zur Ausrichtung der zukünftigen Außen- und Sicherheitspolitik:

 

  1. Deutschland: endlich verteidigungsfähig ? 

Europa muss endlich mehr Verantwortung für die eigene Verantwortung übernehmen und Worten Taten folgen lassen. Konkret bedeutet das erhöhte deutsche und europäische Verteidigungsausgaben, die Modernisierung und Ausstattung der Bundeswehr und die Einführung einer Kontingentmusterung aller 18-jährigen Männer und Frauen im Rahmen eines neu aufgelegten freiwillligen Wehrdienstsystems.

 

  1. Eigenständige europäische Verteidigung 

Wir können Verteidigungspolitik nur europäisch denken: Letztendlich muss unser übergeordnetes Ziel sein, auch ohne amerikanische Unterstützung als europäische Union verteidigungsfähig zu sein. Jetzt sind folgende Punkte wichtig:

  • Die EU muss die mittelfristige Realisierung der europäischen Armee nun deutlich priorisiert forcieren, wobei einzelne Mitgliedsstaaten eine Vorreiterrolle einnehmen können sollen, um eine gemeinsame europäische Armee bereits früher zu realisieren.
  • In zukünftigen Haushaltsverhandlungen zählt für uns insbesondere, nun 3% des BIPs in die Verteidigung zu investieren. In zukünftigen Haushaltsverhandlungen muss dem 3%-Ziel eine klare Priorität eingeräumt werden.
  • Wehrfähige Gesellschaft, starke Reserve: Wir wollen die Heimatschutzkompanien stärken und breiter aufstellen. Hierfür müssen vor allem deutlich mehr Ausbildungskapazitäten geschaffen werden. Es soll in Zukunft selbstverständlich möglich sein, eine Form der Grundausbildung flexibel neben Ausbildung, Studium (z.B. in den Semesterferien, tage- oder auch wochenweise) oder Beruf und dafür in z.B. Wochen- oder Wochenendmodulen über einen längeren Zeitraum gestreckt zu absolvieren.  
  • Rüstungsproduktion hochfahren: Zu oft ist die Bundeswehr ein schlechter Vertragspartner. Rahmenverträge sind keine sicheren Abnahmen und bedeuten hohe finanzielle Risiken. Gleichzeitig muss die Rüstungsindustrie ihre Kapazitäten drastisch steigern. Dazu müssen mit der Industrie langfristige Abnahmegarantien für Munition und wichtige Waffensysteme vereinbart werden. Im Gegenzug muss die Industrie jährliche Produktionskapazitäten zusagen, die bei Bedarf abgerufen werden können. Das Europäische Vergaberecht für das Militär wollen wir bis zum Sieg der Ukraine aussetzen.
  • Die Kontingentmusterung ist aus unserer Sicht der richtige Weg, um die Wehrfähigkeit Deutschlands zu sichern, ohne die Freiheit der Bürger unnötig einzuschränken.  Mit dieser erhalten alle Deutschen bei Erreichen der Volljährigkeit bzw. nachdem Ende ihrer Schullaufbahn eine Online-Abfrage der Bundeswehr. In dieser werden Fragen zur Wehrfähigkeit und die Bereitschaft abgefragt, einen Wehrdienst anzutreten oder Reservist zu werden. Diese Fragen ermöglichen der Bundeswehr eine Auswahl zu treffen, welches Kontingent gemustert werden soll. Dabei müssen die Fragen wahrheitsgemäß beantwortet und der Einladung zu einer Musterung nachgekommen werden. Dabei verpflichtet aber weder die Beantwortung der Fragen noch die Musterung zum Wehrdienst. Dieser und der Eintritt in die Reserve bleiben freiwillig. So respektieren wir den Grundsatz der Freiwilligkeit und stärken gleichzeitig die Verteidigungsbereitschaft unseres Landes. Gleichzeitig muss es der Bundeswehr erlaubt werden, Informationsveranstaltungen an Schulen durchzuführen um über die Möglichkeiten der Ausbildung in der Truppe zu informieren.

  

  1.  Ukraine nicht im Stich lassen 

Wir müssen uns auf ein Szenario vorbereiten, in dem die amerikanische Unterstützung für die Ukraine schmerzhaft zurückgefahren werden wird. Zukünftig kann es also ein realistische Situation darstellen, in der Europa bzw. die europäische NATO dies kompensieren muss. Dabei erwarten wir von der Bundesregierung, dass Deutschland eine Vorreiterrolle in der militärischen Unterstützung für das angegriffene Land einnimmt. Konkret fordern wir: 

  • Spätestens jetzt muss die SPD ihre Blockadehaltung bei der Lieferung von Taurus-Raketen aufgeben und westliche Waffen für den Einsatz auf russischem Gebiet freigeben.
  • Die NATO bleibt nach wie vor wichtigster Bündnispartner der angegriffenen Ukraine. Die NATO-Beitrittsperspektive darf aber nicht nur eine Perspektive bleiben, sondern den Ankündigungen müssen weitere Schritte zur Integration des Landes in unser Verteidigungsbündnis folgen. Deshalb soll für die Ukraine auch die offizielle Einladung zum Beitritt ausgesprochen werden.

Wir sprechen uns klar für die Stationierung der geplanten Tomahawk Marschflugkörper ab 2026 aus und die Entwicklung eines europäischen Trägersystems einsetzen

 

  1. Wandel braucht Handeln: weltweite Freihandelsabkommen 

Europa muss sich wirtschaftlich breiter aufstellen. Neben den USA als einem unserer wichtigsten Handelspartner braucht die Europäische Union insbesondere weitere Bündnisse mit liberalen Demokratien in der ganzen Welt. Deshalb fordern wir Freie Demokraten, abgesehen von einer zügigen Umsetzung des Freihandelsabkommens mit den USA, Freihandelszonen mit möglichst vielen liberal-demokratischen Ländern der Welt, wie z.B. Taiwan, Japan, Südkorea, Indien oder Australien.  

 

  1. Gemeinsame Handelspolitik der Europäischen Union  

Deutschland und die Vereinten Staaten von Amerika sind wirtschafts- bzw. handelspolitisch eng miteinander verbunden. So ist laut den neuesten Daten des Statistischen Bundesamts die Bedeutung der USA für Deutschlands Exportwirtschaft so groß wie zuletzt vor zwanzig Jahren. In den ersten beiden Quartalen dieses Jahres haben die Vereinigten Staaten die Volksrepublik China als unseren wichtigsten Handelspartner abgelöst.  

Wir haben bereits im Rahmen des Angriffs Russlands auf die Ukraine erfahren müssen, dass wirtschaftliche Abhängigkeiten möglichst zu vermeiden sind. Aus diesem Grund muss die oberste Priorität Deutschlands sein, dessen handelspolitische Export- und Importströme möglichst global zu diversifizieren. Das muss insbesondere für diejenigen Waren- und Dienstleistungsimporte aus den USA gelten, von denen Deutschland primär abhängig ist. Daher muss eine tiefere Integration des EU-Dienstleistungsmarktes erfolgen, denn Deutschland und die Europäische Union (EU) müssen ihre Position durch eigene und vor allem gemeinsame Maßnahmen stärken. Darüber hinaus muss sich die Bundesrepublik nach dem Wahlsieg von Donald Trump auf deutlich protektionistischere und durch Importzölle gekennzeichnete Wirtschaftsbeziehungen einstellen. Sofern Trump seine im Vorhinein geäußerten Forderungen nach Basiszöllen in Höhe von 20 Prozent für aus der EU stammende Exporte wahr macht, entstünden auch für Deutschland enorme Kosten auf US-Importe. Daher darf die EU im Falle einer solchen Zoll-Handelspolitik nicht davor zurückschrecken, sich auf die gemeinsamen Anti-Coercion-Instrumente zu berufen, um entsprechende Gegenmaßnahmen im Falle dieses wirtschaftlichen Zwangs anzuwenden, beispielsweise ebenso Importzölle auf Güter und Dienstleistungen aus den Vereinigten Staaten.

Und trotzdem oder gerade wegen dieser Entwicklungen müssen wir darum kämpfen einen neuen Anlauf für ein transatlantisches Handelsabkommen zu wagen. Der Weg dahin darf aber nicht verloren belieben Trump regiert nur auf Stärken, diese müssen wir beweisen. Das ziel muss sein für Deutschland und Europa jetzt aus den sogenannten TTC Verhandlungen so viel Rauszuholen wie es geht um die deutsche und europäische Wirtschaft wieder nach vorne zu bringen.

Mit dem Inflation Reduction Act (IRA) zu Beginn des Jahres 2023 unter der Biden-Administration ist in den USA ein sehr umfangreiches Subventionsprogramm für emissionsarme Technologien in Kraft getreten. Subventionierungen für emissionsarme und nachhaltige Elektrizitätserzeugung sind der größte und am breitesten wirkende Einzelposten innerhalb des IRA. Fast die Hälfte der deutschen Industrieunternehmen hat bereits Produktion und Arbeitsplätze ins Ausland, in Zeiten signifikant gestiegener Energiepreise vor allem in die USA, verlegt oder denkt darüber nach. Für uns ist dies nicht hinnehmbar, weshalb die deutsche Bundesregierung dazu auffordern, angebots- bzw. wirtschaftspolitische Maßnahmen, etwa in Bezug auf Digitalisierung, Bürokratieabbau, Senkung der effektiven Unternehmensbelastung, Tempo bei Planungs- und Genehmigungsverfahren, umzusetzen, die dazu beitragen, dass Deutschland für seinen Mittelstand und ausländische Unternehmen weiterhin attraktiv bleibt.  

Außerdem sind vor allem die Energiekosten für (energieintensive) Unternehmen bedeutend, weshalb die Bundesregierung zwingend weitere Maßnahmen umsetzen muss, um einerseits das Energieangebot bzw. die Energieinfrastruktur auszubauen und andererseits die Energiepreisdifferenz zwischen den USA und Deutschland möglichst zu reduzieren. Der Industriestrompreis wird in den Vereinigten Staaten stark subventioniert, weshalb er zu den Günstigsten der Welt gehört. Anstelle eines Subventionswettlaufs, den wir strikt ablehnen, müssen umfangreiche und nachhaltige Maßnahmen getroffen werden, um die Energiepreise dauerhaft auf ein niedrigeres Niveau zu befördern. Dazu müssen der Ausbau Erneuerbarer Energien beschleunigt und die Grundlagenforschung an alternativen Reaktorkonzepten zum Leichtwasserreaktoren gefördert werden, um emissionsfreien Strom produzieren zu können. Auch die EU-Mitgliedsstaaten sollten beim europaweiten Ausbau der Energieinfrastruktur sowie beim Import von Energieträgern stärker kooperieren.